TiRos Blog
Dienstag, 3. August 2010
GlotzGedanken: Warum Coraline "unheimlich" ist
Am 03. August 2010 im Topic 'GlotzGedanken'


Coraline hatte mich schon bei der diesjährigen Oscar-Verleihung fasziniert, denn dort gehörte er mit zu den Filmen, die in der Kategorie "Bester animierter Film" auf den wichtigsten Preis der Filmbranche hofften. Der Oscar ging zwar an Pixars "Oben" - und das auch ziemlich verdient, doch auch Coraline ist ein wirklich guter Film, dem die Auszeichnung ebenfalls ganz gut gestanden hätte.

Nachdem ich den Film jetzt endlich gesehen habe, bin ich total begeistert von ihm, da er viel Raum für psychoanalytische Interpretationsweisen offen lässt und einen angehenden Literaturwissenschaftler wie mich fast schon dazu herausfordert, ihn entsprechend zu analysieren. Ich werde hier Coraline mithilfe von Siegmund Freuds Essay Das Unheimliche (1919) ein wenig tiefer in den Film einsteigen.

ZUnächst zum Begriff des "Unheimlichen". Freud schreibt dazu: Das deutsche Wort »unheimlich« ist offenbar der Gegensatz zu heimlich, heimisch, vertraut, und der Schluß liegt nahe, es sei etwas eben darum schreckhaft, weil es nicht bekannt und vertraut ist. (Das Unheimliche) "Unheimlich" können uns also nur Dinge werden, die uns vertraut sind. Genau deshalb können z.B. ein Kinderzimmer, ein Karussell oder die Melodie einer Spieluhr gruselig erscheinen, weil all dies Dinge sind, die uns an eine vertraute Phase unseres Lebens, die Kindheit erinnern: Sie sah sich im Zimmer um. Es war ihr so vertraut - das war ja gerade das Seltsame daram. Alle war haargenau so, wie sie es in Erinnerung hatte. (Coraline, 78) Eine Schlussfolgerung Freuds lautet entsprechend, daß das Unheimliche das Heimliche-Heimische ist (Das Unheimliche). Als Ergänzung zu Freud sei außerdem auch noch Horrorautor- und theoretiker Stephen King zitiert: der gute Horrorfilm [...] bewirkt vor allem eines, er kickt uns die Krücken des Erwachsenseins fort und lässt uns die Rutschbahn zurück in die Kindheit hinabschlittern. Und dort kann unser eigener Schatten wieder zu dem eines bösen Hundes werden, einem klaffenden Maul oder einer lockenden, dunklen Gestalt (Danse Macabre). Auch Stephen King ist sich bewusst darüber, dass effektiver Horror nur dann funktioniert, wenn er kindlische, sprich: heimische Ängste, in uns weg, wodurch wir ein unheimliches Gefühl bekommen.

Coraline Jones, die namensgebende Hauptfigur zieht mit ihren Eltern, die beide Schriftsteller sind und zu Hause arbeiten, in eine der drei Wohnungen des sogenannten rosa Palastes, einem 150 Jahre alten riesigen (Herren-)Haus. In den beiden anderen Wohnungen leben zwei abgehalfterte Theaterschauspielerinnen, die mich mit ihren (lebendigen und ausgestopften) Hunden irgendwie an die Jacob Sisters erinnert haben, sowie ein ehemaliger Zirkusartist, der mit halsbrecherischen Stunts umherwirbelt und einen imaginären Mäusezirkus trainiert. In der Nähe lebt auch der nerdige Wybie, der eine "wilde" schwarze Katze als Haustier hält. Er gibt Coraline später eine Puppe, die exakt wie ein Double des Mädchens aussieht.

Das Doppelgängertum und die dadurch entstehende Ich-Verdopplung, Ich-Teilung, Ich-Vertauschung (Das Unheimliche) sind eine sichere Quelle des Gruseligen, so auch bei Coraline. Woher sollte Wybies Oma die angeblich uralte Puppe haben, deren Entstehungs- und Recyclingsprozess der Zuschauer im Vorspann des Filmes beobachten konnte? Eine gewisse Irritation stellt sich ein.

Über Puppen schreibt Freud in Das Unheimliche Einiges. Unheimlich seien dabei vor allem die »Zweifel an der Beseelung eines anscheinend lebendigen Wesens und umgekehrt darüber, ob ein lebloser Gegenstand nicht etwa beseelt sei« [...] [. Dies beruhe] auf de[m] Eindruck von Wachsfiguren, kunstvollen Puppen und Automaten. (Das Unheimliche) Dass es ausgerechnet von Coraline eine Zwillingspuppe gibt und nicht z.B. von ihren Eltern liegt an der Nähe von Puppe und Kind: Natürlich sind wir aber gerade mit den Puppen vom Kindlichen nicht weit entfernt (Das Unheimliche), schreibt Freud richtiger Weise. Freud zeigt, dass er in diesem Zusammenhang sehr viel von der kindlichen Psyche versteht: bei der lebenden Puppe ist von Angst keine Rede, das Kind hat sich vor dem Beleben seiner Puppen nicht gefürchtet, vielleicht es sogar gewünscht. Die Quelle des unheimlichen Gefühls wäre also hier nicht eine Kinderangst, sondern ein Kinderwunsch oder auch nur ein Kinderglaube (Das Unheimliche). Für Coraline ist die Puppe zunächst nichts Unheimliches, sondern ein durchaus willkommener Spielgefährte. Beim Durchstreifen des Hauses zeigt sich dies deutlich: Coraline reibt in ein verstaubtes Fenster zwei Gucklöcher, eines für sich, eines für die Puppe, die dadurch eine gewisse Belebung erfährt.

Bei der Durch- und Untersuchung des Hauses, entdeckt Coraline im Wohnzimmer hinter der Tapete eine kleine Tür, die sich mit einem Schlüssel in Form eines Knopfes öffnen lässt. Allerdings stellt sich die Tür, zu Coralines Enttäuschung, als zugemauert heraus. Nachts jedoch öffnet sich diese Tür auf geheimnisvolle Weise und eine kleine Schar von Springmäusen führt Coraline durch einen blau-violett schimmernden Tunnel in ein Haus, dass wie eine gespiegelte Version des rosa Palastes erscheint. Die Parallelen zu Lewis Carolls Alice im Wunderland und sind offensichtlich. Fungiert bei Caroll der weiße Märzhase als Bote zwischen unserer Welt und einer fantastischen "anderen" Welt, so sind es bei Henry Selicks Coraline die vier Springmäuse.

Freud schreibt in seinem Essay auch über den Zusammenhang von "geheim" und "unheimlich". Dass "Heimliche", das Verborgene kommt aus seinem Versteck hervor und wird im Wortsinn "un-heimlich". Für Freud ist deshalb am interessantesten, daß das Wörtchen heimlich unter den mehrfachen Nuancen seiner Bedeutung auch eine zeigt, in der es mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt. Das Heimliche wird dann zum Unheimlichen [...] Wir werden überhaupt daran gemahnt, daß dies Wort heimlich nicht eindeutig ist, sondern zwei Vorstellungskreisen zugehört, die, ohne gegensätzlich zu sein, einander doch recht fremd sind, dem des Vertrauten, Behaglichen und dem des Versteckten, Verborgengehaltenen. (Das Unheimliche) Wenn das "Heimische" etwas "Heimliches" verbirgt und dieses dann zum Vorschein kommt, wird es "Unheimlich", da dadurch auch ein großes Stück an Sicherheit verlorengeht. Wenn das "Heimische" "unheimlich" wird, verliert es seinen Zufluchtscharakter und kann keinen Schutz mehr bieten. Genau deshalb ist Horror so effektiv, wenn er sich in vertrauten Umgebungen abspielt - er konfrontiert uns mit der Angst, unseren Zufluchtsort zu verlieren und damit ungeschützt wem oder was auch immer ausgeliefert zu sein.

In diesem "anderen" Haus gibt es auch eine "andere" Mutter, die sich, im Gegensatz zur echten Mutter, wirklich für Coraline interessiert und ihr ein leckeres Festmahl zubereitet. Und auch der "andere" Vater, ein Musiker, der von seinem Klavier gespielt wird, zeigt wirkliches Interesse an Coraline. Coraline bekommt ihren Lieblingsmilchshake, kann mit ihren Freunden sprechen, hat lebendige Spielzeuge. Die Welt hinter dem Tunnel, der analog zu Alice' Kaninchenbau ist, scheint perfekt zu sein.

Freud mahnt jedoch zur Vorsicht vor allzu großer Perfektion: Im ›Ring des Polykrates‹ wendet sich der Gast mit Grausen, weil er merkt, daß jeder Wunsch des Freundes sofort in Erfüllung geht, jede seiner Sorgen vom Schicksal unverzüglich aufgehoben wird. (Das Unheimliche) Recht schnell zeigt sich, dass Freud mit seiner Warnung recht hat, denn eine Kleinigkeit irritiert Coraline und den Zuschauer dann eben doch. Statt Augen tragen die "anderen" Menschen schwarze Knöpfe als Augen. Coraline schläft zufrieden in ihrem "anderen" Bett ein, erwacht jedoch in der normalen Welt.

Sie lernt dann auch ihre NachbarInnen Mr. Bobinsky, dessen imaginären Mäuse sie vor der "kleinen Tür" warnen, sowie Miss Spink und Miss Forcible, die in ihren Teeblättern eine große Gefahr vorhersehen, kennen. Die beiden ehemaligen Schauspielerinnen erinnern an die beiden Schwestern Heather und Wendy aus Nicolas Roegs großartigem Film Wenn die Gondeln Trauer tragen/Don't Look Now. Dort ist eine der Schwestern blind, hat jedoch das zweite Gesicht und dementsprechend hellseherische Fähigkeiten. Auch die beiden Schauspielerinnen werfen sich gegenseitig Blindheit vor. Der "blinde Seher" ist ein sehr alter und häufig wiederkehrender literarischer Topos, schon in mehreren Episoden der griechischen Mythologie taucht der blinde Seher Teiresias auf. Der Zuschauer, dem der Tasseninhalt gezeigt wird, kann erkennen, dass die Teeblätter eine Klauenhand formen, ein offensichtlich gefährliches Symbol. Genau wie der Protagonist John Baxter in Don't Look Now ignoriert jedoch auch Coraline alle Warnungen, sie stapft bezeichnender Weise durch Nebel, der alles verhüllt, genau wie Coraline in ihrer selektiven Wahrnehmung die Verhängnis-verheißenden Omen ausblendet. Sie begibt sich wieder in die andere Welt jenseits der kleinen Tür und hat dort weitere wunderbare Erlebnisse.

Ihre "andere" Mutter erzählt Coraline, dass sie für immer in der wunderbaren Spiegelwelt bleiben könnte, es gibt nur einen winzigen Haken. Sie müsste sich Knöpfe in/über ihre Augen nähen lassen - dies lehnt Coraline jedoch dankend ab. Hier merkt Freud an, dass es eine schreckliche Kinderangst ist, die Augen zu beschädigen oder zu verlieren. Vielen Erwachsenen ist diese Ängstlichkeit verblieben, und sie fürchten keine andere Organverletzung so sehr wie die des Auges. Ist man doch auch gewohnt zu sagen, daß man etwas behüten werde wie seinen Augapfel. Das Studium der Träume, der Phantasien und Mythen hat uns dann gelehrt, daß die Angst um die Augen, die Angst zu erblinden, häufig genug ein Ersatz für die Kastrationsangst ist. (Das Unheimliche)

In der englischsprachigen Literatur tauchen "eye" und "I" häufig in engem Zusammenhang auf, was sich schon durch dadurch ergibt, dass sie aus phonetischer Sicht identisch sind: beide werden /aɪ/ ausgesprochen. In den Detektivgeschichten der hardboiled fiction (und dem daraus entstandenen Filmgenre des Film noir) ist der Privatdetektiv als "private eye" häufig auch ein auf sich gestelltes "private I". In Edgar Allan Poes Kurzgeschichte The Telltale Heart/Das verräterische Herz stellt sich dem Leser recht schnell die Frage, ob das "eye" oder das "I" der Grund für den Wahnsinn des Protagonisten darstellt. Dies nur um zwei Beispiele zu nennen.

Mit dem Verlust der Augen ("eye") geht somit also auch der Verlust der Identität ("I") einher. Darüber hinaus stellen die Augen auch den Spiegel der Seele dar, die man verliert, wenn man seine Augen durch Knöpfe austauscht. Dieses Schicksal ist bereits drei weiteren Kindern widerfahren, die Coraline trifft, als sie von der "anderen" Mutter in einen Raum hinter einem Spiegel eingesperrt wird - auch hier grüßt Alice, die sich in ihrem zweiten Erzählband hinter den Spiegeln bewegt und dort Abenteuer erlebt.

Als eine weitere Parallele zu Alice trifft Coraline in der Welt hinter der Tür auf Wybies schwarzen Kater, ein wundervoller Zyniker, der sich frei zwischen den beiden Welten bewegen und in der "anderen" Welt auch sprechen kann. Lewis Carolls Cheshire Cat/Grinsekatze mag hier durchaus Pate gestanden haben. Gemeinsam mit ihm läuft sie vom "anderen" Haus weg, findet sich zunächst in einem weißen Nichts, dann jedoch wieder an ihrem Ausgangspunkt wieder. Sowohl Coraline als auch der Zuschauer sind irritiert: Wie kann das funktionieren?

Freud schreibt zwar, das Moment der Wiederholung des Gleichartigen [werde] als Quelle des unheimlichen Gefühls vielleicht nicht bei jedermann Anerkennung finden (Das Unheimliche), in diesem Fall dürfte es jedoch unstrittig sein. Die Szene ist ähnlich unheimlich, wie wenn man sich, vom Nebel überrascht, verirrt hat und nun trotz aller Bemühungen, einen markierten oder bekannten Weg zu finden, wiederholt zu der einen, durch eine bestimmte Formation gekennzeichneten Stelle zurückkommt (Das Unheimliche) Exakt dies widerfährt Coraline.

In der normalen Welt bekommt Coraline von den beiden Schauspielerinnen einen Stein mit einem Loch in der Mitte, der "gut gegen Böses [und] Verlorenes" ist und mit dem sie in der "anderen" Welt die Wahrheit sehen kann. Ein ähnlicher Stein taucht auch in Die Geheimnisse der Spiderwicks/The Spiderwick Chronicles auf, dort ermöglicht er den Menschen, die verschiedenen magischen Wesen, die um das Haus herum leben und normaler Weise unsichtbar sind, zu sehen. Eine ähnliche Funktion hat er auch in Coraline. Merkwürdiger Weise haben die beiden Schauspielerinnen eine Kiste mit drei Bonbongläsern (beschriftet mit "1921", "1936" und "1960" - was durchaus die Verschwindedaten der drei anderen Kinder sein mögen), in der sich genau der von Coraline benötigte Stein befindet. Man fragt sich spätestens jetzt, ob die beiden (genau wie Mr. Bobinsky und in geringerem Ausmaß auch Wybie) nicht doch mehr wissen, als sie zuzugeben bereit sind.

Als sich allmählich das wahre Gesicht der "anderen" Mutter, die alte Vettel immer deutlicher zeigt, umgibt sie sich mit einer Vielzahl von Käfern. Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung, in der sich der Protagonist Gregor Samsa in einen Käfer verwandelt und somit ebenfalls seiner Identität beraubt vorfindet, kommt einem in den Sinn. Im englischen Original wird die "andere" Mutter auch als beldam bezeichnet, im Deutschen ist es die Vettel. Beides sind archaische Begriffe für eine alte Frau oder, und in diesem Fall auch wesentlich interessanter und aufschlussreicher, eine Hexe. Da der Film durchaus auch in der Märchentradition zu sehen ist, passt die Wahl dieses archaischen Begriffes, sowohl im Englischen wie auch im Deutschen, sehr gut.

Über das Wort beldam ergibt sich darüber hinaus auch ein möglicher Querverweis auf John Keats' Gedicht La belle Dame Sans Merci.

Coraline lässt sich schlussendlich auf ein Spiel mit der "anderen" Mutter ein und schafft es, die Seelen der Kinder sowie ihre gefangenen Eltern zu befreien. Daraufhin verwandelt sich die "andere" Mutter (ähnlich wie in Stephen Kings Es) in eine Spinne, die "andere" Welt zieht sich zu einem Spinnennetz zusammen. Die Insektennatur der "anderen" Mutter ist nun offensichlich. Der Kater kratzt der Mutter ihre Knopfaugen aus, die nun geblendet (kastriert?) Coraline verfolgt. Coraline schafft es, zu fliehen, doch bleibt eine Hand der "anderen" Mutter im Tunnel zurück. Auch hier findet man bei Freud warnende Worte: Abgetrennte Glieder, [...] eine vom Arm gelöste Hand [...], haben etwas ungemein Unheimliches an sich, besonders wenn ihnen [...] noch eine selbständige Tätigkeit zugestanden wird. (Das Unheimliche) Recht schnell zeigt sich, dass der Psychoanalytiker erneut Recht behalten soll.

Nachts erscheinen Coraline die befreiten Seelen der drei Kinder (vor einem wundervollen von Van Gogh inspirierten Nachthimmel) und warnen sie, dass der Schlüssel immer noch eine Verbindung zum "anderen" Haus schaffen kann. Coraline beschließt, den Schlüssel in einen uralten und sehr tiefen Brunnen zu werfen, was ihr nach einem letzten Gefecht mit der abgetrennten Hand der "anderen" Mutter auch gelingt. Mit einer fröhlichen Gartenparty, zu der auch Wybies Großmutter stößt, endet der Film.

Coraline ist ein wirklich guter Horrorfilm, gerade für Kinder. Es scheint in Teilen, als hätte Freuds Das Unheimliche bei der Produktion neben den PCs gelegen, was genau zu dem unheimlichen Gefühl führt und das gesamte Filmerlebnis so gruselig macht.

Quellen und Weiterführendes:

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Donnerstag, 22. Juli 2010
NeoRetro: Maniac Mansion
Am 22. Juli 2010 im Topic 'NeoRetro'


Titel: Maniac Mansion
Konsole: PC
Entwickler: LucasArts
Publisher: LucasArts
Erscheinungsjahr: 1987
Genre: Point-and-Click-Adventure

Maniac Mansion - das Spiel, das mehr oder weniger im Alleingang den Erfolg der LucasArts-Adventures begründet hat. Das Eingabeschema der Lucas-Arts-Adventures, die sogenannte SCUMM-Bar, wurde eigens für Maniac Mansion entworfen, was sich insbesondere darin ausdrückt, dass SCUMM ausgeschrieben "Script Creation Utility for Maniac Mansion" bedeutet - im Übrigen ist dies eine in Nerd-Quizzes häufig auftauchende Frage.

Von der Geschichte her kommt das Spiel wie ein billiger B-Horrorfilm rüber. Sandy Pantz, die Freundin von Hauptfigur Dave Miller wurde vom verrückten Dr. Fred in dessen gruseliges Herrenhaus verschleppt. Dave macht sich gemeinsam mit zwei FreundInnen daran, Sandy aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Der Spieler kann nun Daves Mitstreiter bestimmen: die beiden PunkrockerInnen Syd und Razor, Schülerzeitungsreporter Michael F. Stoppe, die angehende Schriftstellerin Wendy, der nerdige Bernard Bernoulli sowie "Surfer Dude" Jeff Woodie - für zwei von ihnen muss man sich zu Beginn des Spieles entscheiden. Diese Entscheidung beeinflusst den restlichen Spieleverlauf enorm, da jede Figur unterschiedliche Fähigkeiten hat, wodurch sich viele verschiedene Lösungsmöglichkeiten ergeben - aber auch viele "rote Heringe", da durch die Figurenkonstellation gewisse Dinge auch unbenutzbar werden/bleiben. Dr. Freds schräge Familienmitglieder, Schwester Edna und Weird Ed, sowie seine Kreationen, grün und lila Tentakel, sowie ein mysteriöser Meteor machen die Rettungsmission auch nicht gerade leichter.





Man klickt sich nun also durch das Spiel und versucht, irgendwie Sandy zu helfen - wenn man nicht gerade auf der Flucht vor Dr. Fred, Edna oder Weird Ed ist, die öfter mal durch das Haus streifen und dann doch ein gewisses Gefühl der Bedrohung beim Spieler auslösen. Man landet zwar schlimmstenfalls nur im Kerker, aus dem man auch relativ schnell wieder entkommen kann, aber eine gewisse "Restangst" bleibt dann doch. Nach dem Prinzip "trial and error" klickt man sich dann, wie auch bei den späteren LucasArts-Adventures, durch das Spiel und versucht herauszufinden, wozu z.B. Plastik-Früchte gut sein könnten. Wie bereits erwähnt, bleiben manche Objekte für bestimmte Figuren unnutzbar (tolles Wort), obwohl sie wichtig erscheinen - sie werden zu sogenannten "roten Heringen".



Ein ganz besonderer und auch sehr berühmter bzw. berüchtigter roter Hering ist die Kettensäge in der Küche, mit der man leider nichts anfangen kann, da der Benzintank leer ist. In einem Nachfolgetitel von Maniac Mansion, Zack MacCracken and the Alien Mindbenders findet man dann einen Benzintank, der dort ohne Kettensäge aber genauso nutzlos bleibt wie die benzinlose Kettensäge. Ein wirklich cleverer Einfall, um zwei Spiele miteinander zu verbinden.



Berüchtigt ist auch "Benutze Hamster mit Mikrowelle", was das arme pelzige Wesen natürlich tötet. Gibt man die Überreste dann zurück an den Besitzer Weird Ed, findet man sich selbst auch relativ schnell in einem Grab wieder. Das Spiel für die betreffende Figur ist dann logischer Weise vorbei. Für die Veröffentlichung auf dem NES wurde diese Möglichkeit übrigens geschnitten, da Nintendo soetwas nicht auf seiner familienfreundlichen Konsole haben wollte. In Day of the Tentacle, der Fortsetzung von Maniac Mansion gibt es dann eine großartige Anspielung auf die Mikrowellenszene. Die Ermordung des Hamsters bringt einen im Spiel übrigens nicht weiter, im Gegenteil ist es sogar besser, den Hamster leben zu lassen. Aber manchmal geht dann eben doch der innere Sadist mit einem durch... Vor Kurzem las ich übrigens diese erschreckende und hoffentlich nicht von dem Spiel inspirierte Schlagzeile: "England: Vier Monate Knast für Tierquäler - Junge grillt Hamster in Mikrowelle". Im echten Leben also bitte nicht nachmachen!

Mit Hilfe der gesammelten Hinweise und Objekte schafft man es dann letztendlich irgendwie, Sandy zu retten. Mit Bernard ruft man die Weltraumpolizei, die den Meteor, unter dessen Bann Dr. Ed die ganze Zeit stand, verhaftet; mit Wendy verhilft man ihm zu einer Karriere als Schriftsteller, und-so-weiter-und-so-fort. Auch hier kommt es wieder auf die Figurenkonstellation an, so dass sich das Spiel einen recht hohen Wiederspielwert behält, da man immer wieder mit anderen Personenkonstellationen herumprobieren kann.



Leider ist auch dieses Spiel jedoch sehr kurz, was beim Wiederspielen, wenn man ja schon einen Teil der Rätsel sowie die dazugehörigen Lösungen kennt, auch nicht viel besser wird. Dies scheint jedoch ein generelles Manko der LucasArts-Adventures zu sein: gut, aber zu kurz.

Die Grafik ist für die damalige Zeit ganz gut, man darf auch hier natürlich nicht mit heutigen Maßstäben herangehen. Leider ist jedoch auch die Musik hier nicht sonderlich erwähnenswert. Mit Ausnahme des Intro-Stücks sowie ein, zwei kurzen "Liedern" im Spielverlauf, herrscht Stille, die nur von gelegentlichen Soundeffekten aufgelockert wird. Da ich Spiele mit guten Soundtrack besonders gerne spiele, kann mich Maniac Mansion in diesem Punkt nicht überzeugen. Da waren spätere LucasArts-Adventures, wie etwa Monkey Island dann doch wesentlich besser ausgestattet.



Fazit:

Ein solides Point-and-Click-Adventure, dass durch die verschiedenen wählbaren Figurenkonstellationen einige teilweise recht unterschiedliche Spielemöglichkeiten aufweist, was auch den Wiederspielwert mit anderen "Party"-Zusammenstellungen relativ hoch hält. Leider ist das Spiel sehr kurz geraten. Die Grafik ist ok, es gibt auch eine von Fans kreierte Deluxe-Variante mit verbesserter Grafik, der Sound, sofern überhaupt vorhanden, ist leider nicht der Rede wert. Auch die Story, die natürlich bewusst an B-Horror-Filme angelehnt ist, ist leider nicht so der Brüller, sondern dient eher als Mittel zum Zweck. Interessant ist, dass in Teil 2 The Day of the Tentacle ausgerechnete der Nerd Bernard Bernoulli die Hauptrolle übernimmt, während von Dave, Sandy und den anderen keine Rede mehr ist. Da Bernard jedoch die Figur ist, mit der man am meisten anfangen kann und vmtl. auch am Ehesten zur Identifikationsfigur des spielenden Publikums taugt und wurde, wundert dies letztendlich jedoch nicht ganz. Ohne einer späteren "Rezension" von Day of the Tentacle vorweggreifen zu wollen, muss ich jetzt schon sagen, dass in diesem Fall der zweite Teil klar und deutlich besser ist als der erste.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Mittwoch, 21. Juli 2010
NeoRetro: Bald schon gibt's Neues!
Am 21. Juli 2010 im Topic 'NeoRetro'


Es wird in absehbarer Zeit neue NeoRetro-Beiträge geben. Ich "arbeite" derzeit an Besprechungen von Final Fantasy VI, Maniac Mansion sowie Indiana Jones und der letzte Kreuzzung, evtl. folgt auch noch eine "Spezialausgabe" zum Thema Videospielmusik.

Neues Lesefutter kommt also bald - ich bitte noch um ein wenig Geduld.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Dienstag, 13. Juli 2010
PoliTick: Über Respekt
Am 13. Juli 2010 im Topic 'PoliTick'


"Jugend braucht Freiräume" lautet das Motto von JUZ United e.V., dem Verein saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung, mit dem gemeinsam nach über zehn Jahren Durststrecke endlich wieder ein Jugendzentrum als Anlaufstelle für die örtlichen Jugendlichen enstanden ist.

Dieses Jugendzentrum ist selbst verwaltet, der Verein Jugendzentrum Göttelborn e.V., dessen Kassenwart ich bin, hat die Verantwortung für das JUZ übernommen. Dies ist eine sehr große Herausforderung - alle Beteiligten sind jedoch gerne bereit, sich ihr zu stellen, denn schließlich sind Herausforderungen dazu da, gemeistert zu werden.

Dem Ganzen gingen mehrere Versuch voraus, das Jugendzentrum, das früher in einem Raum der katholischen Kirche bestand und wegen einer Kleinigkeit geschlossen wurde, wieder aufleben zu lassen. Die katholische Kirche in Göttelborn wäre heute nur noch bereit, ein solches JUZ bis zum Alter von 11 anzubieten. Eine Farce. Wenn man vom Englischen ausgeht, ist man erst mit dreizehn ein Jugendlicher bzw. ein "teenager" - und eben nicht mit 11. Da ist doch eher die Ganztagsbetreuung der Grundschule zuständig.

Auch bei der IKS bestand Interesse, jedoch waren die angebotenen Räume eher suboptimal, darüber hinaus liegt das Grubengelände dann letztendlich doch auch zu weit außerhalb für ein Jugend-Zentrum.

Bislang hielten sich die Jugendlichen deshalb meistens im sogenannten "Konzertwald" auf, da sie sonst keinen Raum für sich hatten. Wenn dann mal etwas Müll rumlag oder Gassigeher sich durch jugendliche Gespräche in ihrer Seelenruhe gestört sahen, war das Geschrei schnell groß. Respekt fordern viele ältere Menschen, einige sind jedoch nur selten oder gar nicht dazu bereit, auch jugendlichen Menschen den nötigen und gebührenden Respekt zuzugestehen.

Respekt- und Verantwortungslosigkeit sind dementsprechend zwei Dinge, die von (vermeintlich) Erwachsenen Kindern und Jugendlichen immer schnell vorgeworfen werden. Doch man sollte auch vor der eigenen Haustür kehren... oder den Balken im eigenen Auge bemerken.

Vor ein paar Jahren lief der damalige (und inzwischen zum Glück abgewählte) Göttelborner Ortsvorsteher im Ort herum und verbreitete das Gerücht, er hätte zwei gewisse junge Mädels beim Kiffen in der Grundschule beobachtet - dumm nur, dass die beiden zu genau diesem Zeitpunkt an einer Juso-Sitzung in Fischbach teilnahmen. Als vermeintliche "Respektsperson" Respekt verlangen und gleichzeitig respektlose Lügen verbreiten - wie geht das zusammen?

Von einer Genossin aus meinem SPD-Ortsverein bekam ich schon mehrfach zu hören, wir Jusos müssten doch (auf dem Dorffest) mehr für die Alten machen. Da frage ich mich: Warum? Wir als Jusos sind die Jugendorganisation der SPD in Göttelborn und vertreten deshalb auch genau diese Interessen - für die der "Alten" ist die AG 60Plus zuständig. Die Interessen der Jugendlichen kennen wir als junge Menschen natürlich, wir würden uns jedoch nie anmaßen, die der "Alten" zu kennen. Darüber hinaus: Wie sollen wir auf dem Dorffest überhaupt großartig etwas für die Alten machen, die es naturgemäß sowieso schon zum Kaffee und Kuchen beim Karnevalsverein zieht? Wir möchten das auch gar nicht, sondern richten usnere Cocktails lieber an unser Stammpublikum, die junge Generation. Im Übrigen scheint mir das Ganze auch etwas mit dem Verschieben des Problems zu tun zu haben. Wenn SPDler die Verantwortung für die ältere Generation an die Jusos abschieben, dann stimmt etwas nicht. Das ist dann respektlos sowohl uns als auch der älteren Generation gegenüber.

Ein weiteres Phänomen, das für mich mit Respekt zusammenhängt, macht mich immer wieder stutzig. Ich habe schon immer hier im Ort alle Menschen mit einem "Guten Tag" gegrüßt, ob ich sie nun kannte oder nicht. Gerade bei älteren Menschen ist es mir jedoch schon mehrfach passiert, dass keine Erwiderung kam, sondern dass ich geradezu ignoriert wurde. Ich bin ein Mensch, der sehr höflich ist. Ich grüße deshalb z.B. auch stets alle Busfahrer, da ich der Meinung bin, dass sie sich diese Anerkennung für die Ausübung ihres nicht immer leichten und sehr verantwortungsvollen Berufes verdient haben.

Ich finde es von diesen älteren Herr- und Damenschaften mehr als respektlos und unhöflich, dass sie meinen Gruß einfach so bewusst ignorieren. Und ich habe so die Vermutung, dass genau diese Leute sich, ihrer selektiven Wahrnehmung entsprechend, bei anderen über die ach-so-bitterböse "Jugend von heute" beschweren. Sei's drum...

Es freut mich, dass die Jugendlichen Göttelborns jetzt endlich einen Ort für sich haben, an dem sie sich frei entfalten und ihren Interessen nachgehen können. Dieser Ort steht auch Interessierten aus der älteren Generation gerne offen und hier können sie sich auch davon überzeugen, dass man die Jugendlichen gar nicht alle über den Kamm der Respektlosigkeit scheren kann.

Im Übrigen ist für das JUZ auch eine Zusammenarbeit mit dem Pensionärsverein Göttelborn im Rahmen einer "Hausarbeitenbörse" geplant. Die älteren Menschen können Arbeiten, die sie nicht mehr erledigen können, aufschreiben und jemand von den JUZ-Jugendlichen führt sie dann (vlt. gegen ein kleines Taschengeld) durch. So gewinnen mit Sicherheit beide Seiten (mehr) Respekt vor einander.

Fazit: Respekt muss man nicht nur für sich selbst einfordern, sondern man muss auch respektvoll gegenüber anderen sein. Jemandem aufgrund seines Alters keinen Respekt zu zollen, ist auch eine Form der Diskriminierung - das sollte man sich vlt. mal bewusst machen, bevor man sich über die Respektlosigkeit der Jugendlichen beklagt, die einem im Eulenspiegel die eigene Respektlosigkeit vor Augen führt.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Samstag, 10. Juli 2010
PoliTick: Demografie und neue Herausforderungen
Am 10. Juli 2010 im Topic 'PoliTick'


Demografie - so nennt sich das Schreckgespenst, das in den letzten Jahren für jedes Problem verantwortlich ist oder zumindest dafür verantwortlich gemacht wird. Die Deutschen bekommen zu wenig Kinder, deshalb wird und muss es gesellschaftliche Veränderungen geben.

Heute Abend war ich auf einer Versammlung der evangelischen Kirchengemeinde Wahlschied-Holz, zu der (warum auch immer) Göttelborn mit dazugehört. Thema war dort die angespannte Finanzlage der Kirchengemeinde, die aufgrund der demografischen Entwicklung (immer mehr alte Gemeindemitglieder sterben, es kommen nur wenig junge nach) zukünftig noch schlimmer werden wird. Um dem entgegen zu wirken, hat das Presbyterium eine Gebäude-Analyse durchführen lassen - immerhin leistet sich die verhältnismäßig kleine Kirchengemeinde drei Kirchen, ein Pfarrhaus, ein großes Gemeindehaus sowie eine Kindertagesstätte. Insbesondere die drei Kirchen stellen dann, auch nach Meinung der beauftragten Experten, eben doch ein wenig zu viel Luxus dar.

Ein Vorschlag, der kaum überraschte, besteht darin, die evangelische Friedenskirche in Göttelborn zu verkaufen oder sonstwie loszuwerden. Aktuell findet dort ein einziges Mal im Monat an einem Sonntagmorgen ab 9:00 Uhr der Gottesdienst statt. Wenn dann neben Pfarrer, Organist und Küsterin drei weitere Personen erscheinen, ist das schon ein voller Erfolg. Ich selbst gehe höchstens mal zu Weihnachten in den Gottesdienst - das gebe ich auch gerne zu.

So leid es mir um die Kirche, von der ich nur zwei Häuser entfernt wohne, tun würde, so sehr bin ich dann doch Realist bzw. Skeptiker. Und deshalb habe ich nach der Versammlung mir und anderen die Frage gestellt: Warum sollen wir diese Kirche erhalten? Und für wen? 18.000 € jährlich (und ein Investitionsstau von 120.000 €) für 3,5 Personen im Monat, 42 Personen im Jahr? Ein klares: Nein! Dann soll dieses Geld doch bitte besser und sinnvoller in die Kita in Wahlschied gesteckt werden, die Kinder profitieren eher davon.

Die evangelische Friedenskirche ist jetzt 43 Jahre alt, erst vor drei Jahren haben wir das 40-jährige Jubiläum groß gefeiert. Schon damals war abzusehen, dass es mit dieser Kirche auf lange Sicht nicht weiter gehen wird. Wie auch, wenn die Alten nicht und die Jungen nicht nachkommen?

Von den derzeitigen KonfirmandInnen ist meine Schwester die einzige aus Göttelborn - und die lässt sich lieber in Fischbach konfirmieren, weil dort all ihre Freundinnen sind.

Auch das zeigt ein Problem der Kirchengemeinde: Göttelborn gehört zur Gemeinde Quierschied, die restlichen Teile der Kirchengemeinde gehören zur Gemeinde Heusweiler. Außer dieser zufälligen Kirchenbezirksgrenze verbindet uns Göttelborner nichts mit Wahlschied, noch weniger mit Holz. Die fiktive Kirchenbezirksgrenze ist, meiner Meinung nach, mehr als merkwürdig und hat sich als anachronistisch erwiesen. Stattdessen wäre es wesentlich sinnvoller, Göttelborn in die Kirchengemeinde Quierschied-Fischbach einzugliedern, immerhin gehören wir verwaltungstechnisch zur Gemeinde Quierschied (wenn wir auch die Illinger Telefonvorwahl haben und in Merchweiler einkaufen) - das wäre wesentlich sinnvoller und praktikabler. Die Gemeinde Quierschied-Fischbach hat zwar auch kein Geld und schließt selbst eine Kirche, die in Quierschied, aber egal.

Ich sehe nicht, wie man das Problem der Demografie lösen könnte. Wir werden in einer immer säkulärer werdenden Gesellschaft die Menschen, insbesondere die jungen, wohl kaum dazu bekommen, in die Kirche einzutreten. Da leidet die Evangelische Kirchengemeinde Wahlschied-Holz am gleichen Strukturproblem wie der Kaninchenzuchtverein Göttelborn, der auch keine jungen Mitglieder mehr bekommt, weil heute kein junger Mensch mehr Kaninchen züchten will. Eines als Haustier halten vielleicht noch - aber eine Zucht eröffnen? Das ist dann doch Bauernhofromantik von vorgestern, die heute nur noch ein sentimentales Lächeln hervorrufen kann. Das soll nicht heißen, dass die Kirchengemeinde ein Kaninchenzuchtverein ist (oder umgekehrt), aber beide leiden an dem selben Problem: Junge Menschen interessieren sich heute für andere Dinge als vor vierzig Jahren. Weder Religion nach Kaninchenzüchten wecken heute noch großartiges Interesse, dafür haben Fuß- und Volleyball, Karnevalsverein und das JUZ einen stetigen Zulauf, weil sie auf Dauer für junge Menschen interessant bleiben. Der Ski- und Wanderclub sowie die vielen Tennisvereine haben wiederum das Problem, dass ihre große Zeiten lange vorbei sind - da ändert auch Benny Becker nix dran.

Ich will hier auch niemanden verurteilen und fände es auch falsch, wenn das von Seite der Betroffenen passieren würde. Wenn die Jugendlichen sich heute nicht mehr für Tennis, Religion oder Kaninchenzüchten interessieren, dann darf man nicht nur über die Jugendlichen schimpfen. Stattdessen sollte man sich auch mal auf sie einlassen. Vielleicht spielt ja keiner Tennis mehr, weil der Verein nur noch aus Auswärtigen besteht und sich insgesamt ziemlich elitär und hochnäsig gibt. Mit Champagner am selbst-isolierten Dorffeststand imponiert man Jugendlichen mit Sicherheit nicht. Und mit langweiligen Gottesdiensten auch nicht. Tennis für Jedermann und lockere Jugendgottesdienste bringen dagegen evtl. mehr Jugendliche dazu, mal vorbeizuschauen. Für den Kaninchenzuchtverein weiß ich jetzt gerade selbst keine Lösung, ein solches "Hobby" (sofern man es überhaupt als solches bezeichnen kann), ist extrem aufwändig, zeitintensiv, teuer und erfordert sehr viel Verantwortung von einem jungen Menschen - vlt. würde man manch einen schlichtweg damit überfordern und ohne eigenen Garten geht das sowieso nicht.

Ich bin bei diesem Thema auch für Zusammenarbeit, wenn nicht sogar für Zusammenschluss. Wenn der Tennisclub auf lange Sicht selbst nicht überlebensfähig ist, sollte er vlt. darüber nachdenken, sich mit dem Sportverein zusammenzuschließen und als Sparte Tennis des Sportvereines weiter zu existieren. Damit gibt man natürlich Selbstständigkeit auf, sichert aber die Überlebensfähigkeit. Bei der Kirche ist das nicht ganz so einfach, aber warum arbeitet man nicht stärker mit der katholischen Kirche zusammen (oder versucht es zumindest) und führt mehr ökumenische Gottesdienste durch. Warum nicht sogar mit der sehr offenen und integrationswilligen türkisch-islamischen Gemeinde hier in Göttelborn. Wir wissen schließlich spätestens seit Lessings berühmter Ringparabel, dass die drei großen Religionen letztendlich so viel nicht unterscheidet. Vlt. ja auch mal ein ökumenischer Jugendgottesdienst im JUZ - mit Gitarre und Gospel.

Wenn man jedoch nur im eigenen Saft schmort, dann wird man irgendwann ungenießbar. Dies gilt auch für Parteien. Wenn ich von den GenossInnen aus meinen Vorstand höre, dass wir vor zwanzig Jahren auch ohne Infostand gewonnen haben, dann muss ich mich doch beherrschen. Da hat manch einer den Schuss nicht gehört. Heute ist nicht mehr vor zwanzig Jahren, Menschen interessieren sich für andere Dinge und müssen auch anders angesprochen und anders interessiert werden als dies vor zwanzig Jahren der Fall war. Und natürlich gewinnt man auch mit einem simplen Infostand keine Wahl - da hilft es schon eher, alle Göttelborner Haushalte zu besuchen, wie wir dies im letzten Jahr getan haben. Dass die SPD durch die Jusos inzwischen auf dem Dorffest, dem Weihnachtsmarkt, dem Gauditurnier, dem Ortspokalschießen, etc. omnipräsent ist, schadet bestimmt auch nicht. Und dass wir örtlichen Bands und Künstlern eine Plattform für ihre Auftritte bieten und somit etwas für die (Dorf-)Kultur tun, gab es so bis vor ein paar Jahren auch nicht. Ein Seminar der SPD Saar trägt den sehr guten Titel "Neue Veranstaltungsformen braucht das Land" - so ist es! Und das trifft von der Partei über die Kirche bis zum Tennisclub auf alle Vereine und Vereinigungen zu.

Mein Aufruf an die Vereine lautet deshalb: Seid mutig, geht neue Wege, macht euch interessant. Wenn Dinge "schon immer so waren" (*kotzwürg*), sind sie zu 90 % schlecht und MÜSSEN geändert werden! Damit kann man nicht jeden Verein retten. Manch ein Verein passt jedoch vlt. auch gar nicht mehr in die heutige Zeit - das ist zwar schade, aber die Menschen ändern sich eben. Und dann tritt man vlt. doch lieber in Würde ab, statt sich als Vereinigung der Miesepeter zu verewigen.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Donnerstag, 17. Juni 2010
GlotzGedanken: TV-Werbung... und ein wenig Horrorfilm-Theorie
Am 17. Juni 2010 im Topic 'GlotzGedanken'


Wie man schon in meinem ersten (richtigen) Blogeintrag lesen konnte, mag ich gut gemachte Werbespots, bei denen man merkt, dass sich die Verantwortlichen Gedanken über ihren Spot und dessen Aussage gemacht haben. Ein weiteres Paradebeispiel für gute Werbung möchte ich hier mit einem kurzen Abstecher in die Horrorfilm-Theorie bzw. -geschichte in Verbindung bringen.

Es geht um die aktuelle Werbung des Internet-Schuhversandhauses zalando.de, zu sehen hier.

Ein verstörter und paranoider junger Mann filmt sich mit einer Kamera selbst, das Bild fällt oft aus und er weist das Publikum auf die Gefahren hin, die entstehen, wenn Frauen zalando.de entdecken. Als der Postbote dann noch ein Mal klingelt, bricht er in hysterisches Angstgeschrei aus, während seine Freundin Freudenschreie von sich gibt.

Die Werbung funktioniert deshalb so gut, weil sie ganz bewusst eines der eher moderneren Mittel des Horrorfilms zitiert. Es handelt sich dabei um das Genre der sogenannten "found footage", etwa: gefundenes Filmmaterial, dass insbesondere durch The Blair Witch Project (1999) auch dem breiten Kinopublikum bekannt wurde, spätestens seit Cloverfield (2008) oder z.B. Quarantine (2008) dürfte es endgültig nicht mehr als Handwerkszeug moderner Horror-Regisseure wegzudenken sein.

Dadurch, dass das Filmmaterial den Anschein erweckt, von Laien mit einer normalen Handtaschenkamera gedreht worden zu sein, wirkt es besonders "echt" und "authentisch". Mal ist das Bild verwackelt, was man als "shaky cam" bezeichnet, mal ist alles unscharf, die Kamera womöglich sogar beschlagen, oder mit welchen Flüssigkeiten auch immer bespritzt.

Die Kamera zeigt immer die subjektive Sicht einer einzigen Figur und somit immer nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Geschehens, wodurch sie verwandt ist mit der Kategorie des personalen Erzählers in der Prosa-Analyse, der, z.B. in einem Roman, die Handlung ebenfalls nur aus seiner subjektiven und eingeschränkten Sicht wiedergibt. Einmal mehr zeigt sich hier die Verwandtschaft von Film und Prosa. Aber dies nur als Randbemerkung, hier geht es schließlich um Horrorfilme, nicht um Erzähltheorie.

Obwohl das Genre der "found footage" insbesondere in den letzten zehn Jahren besonders beliebt und erfolgreich ist, ist es doch schon 30 Jahre alt. Als Urvater des Genres gilt der Film Cannibal Holocaust (1980, auf Deutsch: Nackt und zerfleischt) von Regisseur Ruggero Deodato, in dem ein Anthropologe die Kamera eines Filmteams findet, auf deren Filmmaterial zu sehen ist, wie die vier Forscher auf brutalste Art und Weise von Kannibalen ermordert und zerfleischt werden. Unter Horrorfilmfreaks gilt die Pfählszene bis heute als einer der brutalsten aber auch besten Szenen überhaupt.

Der Film löste damals eine aus heutiger Sicht kaum zu fassende Kontroverse aus, die letztendlich sogar vor Gericht endete. Ruggero Deodato wurde beschuldigt, dass Material sei tatsächlich echt, die vier Schauspieler seien wirklich ermordet worden, er habe einen sogenannten "snuff film" gedreht. Ein Mordprozess begann. Dass Deodato mit den vier Schauspielern einen Vertrag abgeschlossen hatte, wonach sie sich ein Jahr lang in keinem Film, keiner Werbung oder einem anderen Medium zeigen durften, machte die Sache für ihn natürlich nicht leichter. Doch bevor der Prozess zu weit ausuferte, trommelte Deodato seine "Stars" zusammen, präsentierte dem Gericht die vier quicklebendigen Mimen und löste dann auch noch das Geheimnis hinter der berüchtigten Pfählszene auf. Damit gab sich das Gericht dann zufrieden, da damit bewiesen war, dass es sich bei aller Brutalität doch nur um ein Werk der Fiktion handelte. Wegen der im Film zu sehenden Gewalt gegen Tiere, die tatsächlich eigens für den Film getötet wurden, wurde der Film dann jedoch trotzdem beschlagnahmt bzw. indiziert, was erst 1984 wieder rückgängig gemacht wurde.

Die zalando.de-Werbung blickt also auf eine durchaus interessante und bewegte Vergangenheit zurück. Ob die Macher sich dieser bewusst sind, sei dahingestellt, ich persönlich würde jedoch vermuten, dass sie wohl eher nur die berühmten found-footage-Filme Blair Witch Project und Cloverfield und nicht den berüchtigten Underground-Streifen Cannibal Holocaust kennen und als Anspielung im Kopf hatten. Alles in allem ist es wirklich ein guter Werbespot, den man sich auch ruhig mehrfach anschauen kann.

Mehr zu Cannibal Holocaust (inkl. ein paar Bildern) gibt es hier zu lesen - zumindest für ganz Mutige. Einen, leider etwas kurz geratenen, Beitrag zum Genre der "found footage" gibt es bei Wikipedia ebenfalls und zwar hier.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Montag, 14. Juni 2010
PoliTick: Ich bin ein Schengenkind
Am 14. Juni 2010 im Topic 'PoliTick'


Dieser Text hier ist bereits etwas älter (geschrieben im Oktober 2008) und liegt dementsprechend schon seit einiger Zeit auf meinem Rechner, doch heute ist der perfekte Zeitpunkt, ihn zu veröffentlichen, denn genau heute vor 25 Jahren wurde das Schengener Abkommen unterzeichnet, dass freien Personen- und Warenverkehr in den Mitgliedsstaaten garantiert und Zollkontrollen obsolet macht. Die Nachricht vom 25-jährigen Jubiläum des Schengener Abkommens, mit der mich mein Radiowecker und SR1 in den Tag riefen, stimmten mich schon am frühen Morgen fröhlich und erinnerten mich daran, dass ich zu genau diesem Thema ja mal einen Text geschrieben hatte. Ein kurzes Manifest eines überzeugten Grenzgängers und Europäers.

Ich bin ein Schengenkind

Europa. Für viele ist das nur ein Wort. Ein Wort, das eine große Bedeutung hat, aber weit weg zu sein scheint. Versteckt hinter Glas-Beton-Fassaden und Bürokratie, geduckt in der Ecke hinter Tausenden von Dolmetschern (manchmal sogar eher „Dolmanager“) und Übersetzern.

Für uns hier im Saarland ist das anders. Europa. Für uns ist das ganz nahe. Für uns ist das normal, für uns ist das Alltag und gehört zum Leben dazu, wie die Luft zum Atmen. Reinhard Klimmt hat sein brillantes Buch über die saarländische Geschichte Auf dieser Grenze lebe ich genannt. Doch diese Grenze löst sich immer mehr auf und wird zu Europa.

Es ist für uns normal, in Frankreich einzukaufen. Zu jedem Grill-, pardon, Schwenkabend gehören die scharfen Merguez genauso dazu, wie der Lyoner und die Schwenker von Höll. Und was gibt's dazu? Natürlich „Flitt“. In vielen saarländischen Bäckereien bekommt man die französischen Stangenweißbrote sogar mit der eingedeutschten Schreibweise, aber den meisten Saarländern ist durchaus bewusst, dass es eigentlich „Flute“ heißt. Doch der Begriff „Flitt“ ist so saarländisch, dass sich Saarländer in anderen Teilen Deutschlands regelrechten Kommunikationsproblemen gegenüber sehen, weil der Münchner oder Kieler die saarländischen „Flitt“ nicht kennt. Im Saarland geht Europa, wie jede gute Liebe, eben auch durch den Magen.

Und natürlich wird auch der „Brand“, der nicht notwendiger Weise mit „Durst“ gleichzusetzen ist, mit französischen Getränken gestillt. Kaum ein Saarländer, der das süß-herbe Panaché nicht kennt und liebt. Und auch die Begeisterung unserer Nachbarn für Wasser mit Sirup teilen die Saarländer, ob Minze, Grenadine oder etwas ganz anderes – alles wird gerne in Frankreich gekauft. Und fast jeder Sektempfang im Saarland müsste eigentlich „Cremant-Empfang“ heißen, denn der französische Schaumwein erfreut sich im Saarland ungebrochener Beliebtheit.

So bin ich aufgewachsen, als Schengenkind. Ohne Grenzen, dafür aber mit grenzenlosen Möglichkeiten. Die Sprachbarriere wurde früh durch Unterricht und Austauschmaßnahmen überbrückt. Antoine de Saint-Exupéry trug mit seinem Petit Prince einen wichtigen Teil dazu bei und ist als De klän Prins inzwischen sogar eingesaarländischt worden. Ein Besuch der Patenschule in Landroffe: Feuerspucker und Seewanderungen, Klettergerüste und Fischköder. Frühe Eindrücke eines wundervollen Landes.

Auch die Sprache bleibt nicht unbeeinflusst. Der Saarländer behauptet immer: „Ich habe kalt.“ Dem Hochdeutschen „ist kalt“. Der Franzose sagt „J'ai froid.“ Somit ist der Saarländer sogar sprachlich näher am Französischen als am Hochdeutschen. Und auch das Trottoir und der Paraplu sind im Saarland allgegenwärtig, während sie im Rest Deutschlands unter anderen Begrifflichkeiten zu finden sind.

So bin ich aufgewachsen, als Schengenkind. Und genauso europäisch wachsen auch alle anderen Schengenkinder auf, die nach mir kamen. Ohne von Menschen auf dem Reißbrett gemachten Grenzen, ohne Erbfeindschaft, dafür mit offenem Herzen und Freundschaft.

Du bist Deutschland? Zum Teil, ja. Aber ich bin mit Sicherheit Europa. Und darüber kann man sich wirklich freuen.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
PoliTick: Die Fußball-WM als völlig andere Herzensangelegenheit...
Am 14. Juni 2010 im Topic 'PoliTick'


Seit ein paar Tagen läuft nun die Fußball-WM 2010, dem dadurch entstehenden Sog kann man sich kaum entziehen. Und, ehrlich gesagt, möchte ich das auch gar nicht. Ich habe zwar (außer meiner Mitgliedschaft im Förderverein des SV Göttelborn) nicht allzu viel mit Fußball zu tun, aber Welt- und Europameisterschaftsspiele schaue ich mir dann doch ganz gerne an. Am Liebsten natürlich so wie 2006 bei gutem Wetter mit Sangria, Schwenkbraten und vor allem vielen gut gelaunten Freunden im Garten.

Eigentlich wollte ich gar nichts über die FIFA-WM schreiben, da ich, wie gesagt, fußballtechnisch nur ein Laie bin. Ich hab das Abseits inzwischen zwar verstanden, der Sinn dahinter hat sich mir jedoch auch nach vielen Erklärungsversuchen noch nicht erschlossen. Doch hier soll es auch gar nicht um Fußball an sich, sondern mehr um das "Drumherum" gehen. Denn die WM hat bei mir ein ganz besondere Leidenschaft erneut entfacht.

Die Fußball-WM 2010 findet in Südafrika statt und ist die erste überhaupt auf dem afrikanischen Kontinent. Mich freut dies riesig, denn so kann sich der Kontinent endlich auch von seiner positiven Seite zeigen. In Afrika gibt es Probleme - Hungersnöte, AIDS und Malaria, Bürgerkriege... die sollen auch gar nicht verschwiegen werden, nur oft überdecken sie leider auch die positiven Dinge, die Afrika zu bieten hat.

Seit 2005 engagiere ich mich für Entwicklungshilfe, für Fair-Trade-Produkte, für ein Kennenlernen anderer Kulturen. Auslöser war das Mega-Konzert-Ereignis LIVE8, dass die Musiker Bob Geldof, Bono und Midge Ure einerseits als Jubiläum von LIVE AID (1985), durchführten, andererseits und hauptsächlich aber auch, um den in Gleneagles stattfindenden G8-Gipfel durch eine weltweit möglichst große (mediale) Präsenz der Zustände in der 3. Welt unter Druck zu setzen, damit zumindest eine Teilentschuldung der betroffenen Staaten erreicht wird. Die erzielten Ergebnisse waren im Nachhinein betrachtet eher mau, für die meisten Zuschauer wird es ein tolles Konzert gewesen sein - viel mehr wohl auch nicht.

Mich hat dieser Tag tief bewegt. Auf den Bühnen standen so ziemlich alle Bands und Musiker, die ich toll finde, nach den Auftritten von Peter Gabriel und der Reunion von Pink Floyd war es dann ganz um mich geschehen. Make Poverty History wurde auch zu meinem ganz persönlichen Motto, die Aussagen des Tages und die vielen Kurzfilme über die Zustände, vor allem in Afrika, hinterließen einen sehr tiefen Eindruck. Ich war wütend, traurig, enttäuscht, beschämt. Und ich hatte es, verdammt nochmal, satt, dem Sterben, Verhungern, Verrecken tatenlos zuzusehen. Aus der geballten Faust, mit der ich vor lauter Wut über diese Zustände am Liebsten auf eine Wand eingeprügelt hätte, wurde letztendlich aber doch eine zupackende Hand.

2006 bin ich dann im Internet darauf aufmerksam geworden, dass in Baden-Württemberg, in Anlehnung an das Mega-Ereignis, eine Veranstaltung namens Live8 auf Schwäbisch mit lokalen Bands stattgefunden hatte, bei der Unterschriften für die Kampagne Deine Stimme gegen Armut gesammelt wurden. Ich fasste die Idee, dass das doch auch im Saarland möglich sein müsste, kontaktierte die Veranstalter sowie die Verantwortlichen bei Deine Stimme gegen Armut, bat bei Bands und Politikern um Unterstützung. Ein Konzert unter dem Motto Gib Deine Stimme gegen Armut mit 16 saarländischen Bands, bei dem sehr viele Stimmen gesammelt wurden, wurde mit Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer von mir durchgeführt.

Da ich auch bei den Jusos und der SPD in meinem Heimatort Göttelborn engagiert bin, habe ich versucht, auch hier etwas zu verändern. So konnte ich durchsetzen, dass bei allen SPD-/Juso-Veranstaltungen nur noch Fair-Trade-Kaffee ausgeschenkt wird und selbst der braune Zucker für den Cuba Libre an unserem Juso-Cocktailstand auf dem SPD-Sommerfest ist fair gehandelt. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber ich bin auch der Meinung, dass gerade die Sozialdemokratie bei diesem Thema mit gutem Beispiel vorangehen und die internationale Solidarität so hoch wie nur irgend möglich halten sollte.

Vor ein paar Jahren noch ein "Hippie- und Öko-Thema" ist der Bereich Fair Trade inzwischen auch in der "Mitte der Gesellschaft" angekommen. Bei LIDL und Tchibo bekommt man fair gehandelten Kaffee, ProSieben macht Werbung für Fair-Trade-Rosen zum Muttertag. Das alles passiert natürlich, weil inzwischen ein Markt für die Produkte entstanden ist. Natürlich wollen viele sich auch nur die Absolution vom Schlechten Gewissen erkaufen, für andere ist es jedoch frei nach dem Motto "Global denken, lokal handeln" eine gute Möglichkeit, ihren Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Ich bin nicht naiv, der zu gehende Weg ist noch sehr lang, aber es ist ein Anfang, wenn sich zumindest manche Konsumenten Gedanken darüber machen, woher ihr Frühstückskaffee kommt und zu welchen Bedingungen er produziert wurde.

LIVE8 hat mich auch auf afrikanische Musik aufmerksam gemacht: Angélique Kidjo trat zusammen mit meinem Lieblingsmusiker Peter Gabriel in Cornwall auf, K'naan in Toronto, ein absolut starker Vusi Mahlasela in Johannesburg haute mich mit seinem Auftritt fast von der Couch. Das war etwas ganz Neues. Musik aus Afrika und dann noch so verdammt gute? Ich war angefixt und bin es bis heute geblieben. Die erneute Aufmerksamkeit, die afrikanische Künstler auch bei Al Gores Umtweltkonzert Live Earth bekamen (und ein grandioser Auftritt meiner Lieblingsband Genesis, die in London mit Behind the Lines zeigten, wie man ein Konzert eröffnet), trug ihr Übriges dazu bei.

Kurz nach den LIVE8-Konzerten hatte ich das große Glück, dass mich die damalige Vizepräsidentin des saarländischen Landtages, Karin Lawall (heute als Quierschieder Bürgermeisterin auch für die Entwicklungshilfe mehr als engagiert), überraschend und ziemlich kurzfristig nach Losheim zu einem Konzert von Angélique Kidjo mitnahm. Dort fand auch ein Empfang mit verschiedenen Gästen, darunter auch der Botschafter des Landes Benin, statt, Hauptthema war die Eröffnung eines (AIDS-)Waisenhauses in Benin. Anschließend fand das Konzert statt. Angélique Kidjo, eine wahre Power-Frau, haute mich und alle anderen mit ihrem Auftritt um, nach kurzer Zeit tanzten alle, selbst die offiziellen Gäste.

Jetzt findet die WM in (Süd-)Afrika statt. Als bekanntgegeben wurde, wer den WM-Song singt, war ich enttäuscht. Shakira? Warum? Wieso? Was soll das? Warum kein Afrikaner? Ich war mit meiner Verwunderung nicht alleine, auch viele (Süd-)Afrikaner fühlten sich vor den Kopf gestoßen, mir selbst schwebte mehr als einmal das böse Stichwort "neo-imperialistische Geste" im Kopf herum, da half es dann auch nichts, dass Shakira selbst aus einem Entwicklungsland (Kolumbien) kommt.

Doch ein anderer Song sollte sich gegen Shakiras offizielle Hymne durchsetzen. Coca Cola hatten für ihre WM-Werbung den Song Wavin' Flag des kanadisch-somalischen Sängers K'naan ausgesucht. Und, siehe da, der Song läuft bei allen Radiostationen rauf und runter und erreicht in Deutschland Platz 1 - ich vermute mal, dass dies das erste Mal sein dürfte, dass einem afrikanisch-stämmigen Musiker überhaupt ein solcher Erfolg gelingt. K'naan tourt durch's deutsche Fernsehen, mal ein Interview beim Sat1-Frühstücksfernsehen, mal ein großartiger Auftritt bei Wetten das...?! Der kleine, unbekannte Song setzt sich beim Publikum (zugegeben, mit Schützenhilfe einer koffeinhaltigen Limonade) gegen die offizielle, aber aufgesetzte WM-Hymne durch. Für mich mehr als nur eine Genugtuung.

Und, meiner Meinung nach, zeigten die afrikanischen Künstler wie K'naan, Angélique Kidjo, Vusi Mahlasela, The Parlotones, Amadou & Mariam und andere beim WM-Eröffungskonzert, was sie drauf haben und verwiesen damit selbst internationale Größe wie die Black Eyed Peas auf ihre Plätze. Vusi Mahlasela erinnerte daran, dass Afrika schließlich "the cradle of the humankind", die Wiege der Menschheit, ist - was viele entweder vergessen oder noch nie begriffen haben.

Ich wünsche mir, dass sich das Bild von Afrika in den Köpfen der Menschen nach der WM ein bisschen verändert hat, dass Afrika nicht mehr länger, wie bei Joseph Conrad ein Heart of Darkness, sondern auch ein Ort der Kultur sein kann. Diese mag uns als Westeuropäern zunächst noch etwas fremd sein, doch wenn man sich Zeit nimmt und sich darauf einlässt, merkt man, was man die ganze Zeit über verpasst hat. Ich hoffe, dass bei vielen Menschen endlich auch die musikalischen Scheuklappen fallen. Wer braucht schon 08/15-Casting-Mist wie die "Preluders", wenn er eine echte, wahnsinnig talentierte Künstlerin wie Angélique Kidjo haben kann? Wie auch bei Fair-Trade-Produkten ist das ein langer Weg, die WM wird hoffentlich dazu beitragen, dass ihn zukünftig noch mehr beschreiten. Alle anderen werden viel verpassen - selbst schuld!

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Sonntag, 13. Juni 2010
Mobile City Walk in Saarbrücken
Am 13. Juni 2010
Twitter... ich bin jetzt seit etwa einem Jahr dabei. Angefangen hab ich als Wahlkampfzwitscherer für die SPD Göttelborn und habe hauptsächlich über Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlkampf getwittert. Da ich im Wahlkampf für die SPD sehr aktiv war, gab's entsprechend auch einiges zu berichten.

Erst nach und nach habe ich angefangen, auch "private" Dinge zu twittern, mich auf Diskussionen und Gespräche mit anderen Zwitschernden, insbesondere aus dem Saarland, eingelassen. Einladungen zum TwiSta Saar, dem Twitterstammtisch der Saar-Zwitscherer, bin ich bisher, v.a. aus dem Grunde meiner Führerscheinlosigkeit noch nicht nachgekommen. Das wird sich nun voraussichtlich aber bald ändern.

Heute jedenfalls habe ich zum ersten Mal an einem mit Twitter in Bezug stehendem "Event" teilgenommen, dem Mobile City Walk in Saarbrücken. Dort habe ich dann die Twitterer ChiliConCharme, beatnig und mwanke endlich auch in "echt" getroffen, und die Twitterer Chrysadelic, JayRachel und tomi0001, allesamt sehr nette und interessante Menschen, kennengelernt.



Am Saarbrücker Schloss startete der Saarbrücker Mobile City Walk, von dort ging's an der Schlosskirche entlang zum Flohmarkt, der auf dem Parkplatz stattfand. Dort schloss sich uns dann ein kleiner Plastik-Dinosaurier an, der uns noch viel Freude bereiten sollte. ChiliConCharme alias Bianca habe ich dann noch kurz die Legende vom geizigen Bäcker erzählt, die sie zu meinem Erstaunen noch nie gehört hatte. Als begeisterter Leser der Sagen, Märchen und Legenden aus dem Saarland bin ich mit der hiesigen Mythologie bereits seit Kindertagen sehr vertraut - ich würde das Buch, oder ein ähnliches, auch jedem Saarländer als wirklich lohnende Lektüre empfehlen.



Weiter ging's über die "alte Brücke" zum Fahrrad- und Kunstflohmarkt auf dem Tblisser Platz, danach am Staatstheater und dessen Tiefgarage entlang zur Basilika St. Johann. Weiter zum "Park" der Johanneskirche, durch's Nauwieser Viertel und zum Mügelsberg, wo ein Spielplatz das Kind in uns weckte und wo der mitgebrachte Dinosaurier zur fotogenen Hochform auflief. Sollte Heidi Klum keine Models mehr finden, der Dino kann locker mithalten. Irgendwann kamen wir dann auch auf die Idee, dass wir den Dino ja an die Gewinnerstadt schicken könnten, damit diese im nächsten Jahr mit dem Dino Bilder machen kann. Weiter ging's zur Brauerstraße, von dort dann allmählich Richtung Fußgängerzone Bahnhofstraße und ab zum "Maja", wo der Abschluss stattfand. Leider konnte ich dort nicht mehr allzu lange bleiben, da ich mich noch mit meinem Vater verabredet hatte.

Alles in allem war der Mobile City Walk eine sehr interessante Erfahrung. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt und eine Stadt, die ich eigentlich schon sehr gut kenne, nochmal mit ganz anderen Augen gesehen. Es ist halt schon eine interessante Erfahrung, mit einer Gruppe Handy-begeisterter wie Touristen durch die "eigene" Stadt zu ziehen. Sollte man eigentlich öfter mal machen, bringt manche neue Sichtweise.

Die Überraschung des Tages ist übrigens, wie gut die Bilder trotz meines extrem spiegelnden Handy-Displays geworden sind, da manche so gut wie blind und auf gut Glück geschossen wurden. Nur ein einziges war verwackelt. Gute Quote bei insgesamt 31 Bildern.

Ich hoffe und wünsche mir, dass der Mobile City Walk im nächsten Jahr in Saarbrücken wiederholt wird und bin dann auch gerne ein weiteres Mal dabei.

Meine Bilder vom Mobile City Walk gibt es hier, die Bilder der gesamten TeilnehmerInnen hier.

EDIT:

Ich ergänze hier mal noch die Links zu den jeweiligen Blog-Berichten der anderen MCW-Teilnehmer:

http://chryso.de/ChrysoZweiNull/?p=215
http://blog.mawan.homedns.org/2010/06/15/unterwegs-auf-fototour-in-saarbrucken-mobile-city-walk-2010/
http://www.chiliconcharme.de/2010/06/13/das-war´s-der-mobile-city-walk-im-saarland/

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Sonntag, 6. Juni 2010
NeoRetro: The Secret of Monkey Island
Am 06. Juni 2010 im Topic 'NeoRetro'


Titel: The Secret of Monkey Island
Konsole: PC, u.a.
Entwickler: LucasArts
Publisher: LucasArts
Erscheinungsjahr: 1990
Genre: Point-and-Click-Adventure

Nachdem ich im ersten NeoRetro-Beitrag mit Earthbound ein eher unbekanntes Spiel vorgestellt habe, habe ich mir dieses Mal einen echten Kultklassiker ausgesucht, nämlich The Secret of Monkey Island von LucasArts, die zum Erscheinungspunkt des Spieles noch Lucasfilm Games hießen.



Mit dem Satz "Mein Name ist Guybrush Threepwood und ich möchte Pirat werden" beginnt ein großartiges Point-and-Click-Adventure. Milchbubi Guybrush Threepwood, der anfangs kaum zum Pirat taugt, muss anhand von drei Prüfungen beweisen, dass in ihm ein wahrer Freibeuter steckt. Diebstahl, Schwertkampf und Schatzsuche müssen gemeistert werden, damit die "schrecklich wichtigen Piraten" Guybrush als einen der ihren anerkennen. Das klingt ja eigentlich noch recht einfach... wenn da nicht noch Geisterpirat LeChuck mit seinem Schifft voller Untoter wäre, vor denen selbst die gewieftesten Seeräuber erzittern. Und natürlich gibt es mit der taffen Gouvernörin Elaine Marley auch noch eine Frau in Guybrushs Abenteur.



Die sehr bunte Grafik passt gut zur Gesamtstimmung des Spieles. Die Hintergründe sind auch heute noch schick anzusehen, ohne, dass sie jetzt fotorealistisch wären. Wobei gerade in den Dialogen die Gesichter der Figuren überraschenderweise sehr wirklichkeitsgetreu wirken. Stellenweise ist die Darstellung zwar etwas etwas pixelig, aber nach gut 20 Jahren darf sie das auch sein - ich finde jedenfalls, dass die Grafik gut gealtert ist.

Gesteuert wird das Spiel mit der Maus, mit der man sich aus der SCUMM-Bar am unteren Bildschirmrand die nötigen Befehle zurechtklickt: "Öffne Tür", "Nimm Banane", "Rede mit schrecklich wichtige Piraten". Das funktioniert sehr gut und man hat sich sehr schnell daran gewöhnt. SCUMM-Bar ist damit also nicht nur der augenzwinkernde Name der Kneipe auf Mêlée Island ist, sondern auch das des durch die LucasArts-Adventures berühmt gewordenen Eingabeschemas. Ich persönlich mag diese Steuerung sehr. Und nach einem LucasArts-Marathon (Day of the Tentacle", Maniac Mansion, Sam and Max Hit the Road und eben Monkey Island), in dem ich innerhalb weniger Tage einige der vielen tollen Adventures nachgeholt habe, ertappte ich mich regelmäßig dabei, sogar in SCUMM-Bar-Befehlen zu denken: "Benutze Tab mit Spülmaschine", "Benutze Markierzettel mit Buch", usw... Ein bisschen merkwürdig war das ja schon, allerdings zeigt es auch, dass die Befehle der SCUMM-Bar gar nicht mal so abstrakt sind, wie es zunächst den Anschein hat.



Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist angemessen, wie in jedem Point-and-Click-Adventure muss man manche Dinge einfach mal ausprobieren, "trial and error" ist an der Tagesordnung. Mit den NPCs, "non player characters", also den ganzen nicht-spielbaren Figuren, zu reden, bringt einem darüber hinaus den einen oder anderen wichtigen Tipp, man sollte also ruhig mal all die zwielichtigen Gestalten anquatschen, die die Spielewelt bevölkern. Da die Spielfigur nicht sterben kann, setzt das Spiel einen beim Lösen der Rätsel erfreulicher Weise auch nicht unnötig unter Druck (wie z.B. die King's-Quest-Reihe, in der man gefühlt alle 30 Sekunden das Zeitliche segnet) und schafft somit auch keine Frustrationstendenz beim Spieler. Man kann also in Ruhe ausprobieren, was man denn jetzt mit den Wachslippen anfangen kann oder wozu die roten Blumen gut sind - und wozu nicht. Allerdings habe ich noch nicht getestet, ob Guybrush tatsächlich für 10 Minuten die Luft anhalten kann...

Der besondere Reiz des Spieles liegt in seinem Witz - und damit meine ich jetzt nicht allein Komik, sondern eine geistreiche Ideenvielfalt, wie man sie sich in Spielen öfter wünschen würde. Die Macher Ron Gilbert, Tim Schafer und Dave Grossman feuern ein wahres Feuerwerk an Ideen ab - dafür 1 € ins Phrasenschwein, aber treffender kann man es nunmal kaum beschreiben. Schwertkämpfe werden zu schlagfertigen Wortgefechten ("Du kämpfst wie eine Kuh" - grandios!), vegetarische Kannibalen machen sich sorgen um ihren Cholesterinspiegel, Malzbier wird zur ultimativen Waffe gegen Geister. So absurd das vielleicht klingt, so viel Sinn ergibt es innerhalb der Realität des Spieles. Außerdem enthält The Secret of Monkey Island die beste Kampfszene überhaupt - und das obwohl man von der eigentlichen Kampfhandlung gar nichts sieht.

Die Musik ist großartig und unterstützt das Piraten-der-Karibik-Gefühl auf's Beste. Und wenn ich schon so dezent auf den Film anspiele noch eine Kleine Info am Rande: es gibt das Gerücht, die Filme seien an einigen Stellen von den Monkey-Island-Spielen beeinflusst, als Nicht-Kenner der Filme (ich weiß, Bildungslücke) kann ich das jedoch nicht beurteilen. Auf jeden Fall macht es richtig Spaß, sich diese gelungene Musik anzuhören, auch ruhig mal ohne das Spiel. Zusammen entfalten Spiel und Musik aber natürlich die beste Wirkung. Schon das großartige Opening-Theme im Vorspann macht einem richtig Lust auf das virtuelle Seeräubertum.

Gerade weil mir das Spiel so gut gefallen hat, fand ich persönlich es dann leider doch ein wenig kurz, zum Glück gibt es von The Secret of Monkey Island einige Fortsetzungen. Gerade aus heutiger Sicht ist man an Spiellänge da anderes gewöhnt, vmtl. würde die gesamte Spielehandlung bei einem heute erscheinenden Spiel nur eine einzige Episode eines wesentlich längeren Spieles darstellen.

Fazit:

Wer Point-and-Click-Adventures mag und bei einem Spiel auch gerne mal über guten Humor lacht, der ist hier genau richtig. Dank des von Fans der LucasArts- Adventures entwickelten und frei erhältlichen Programmes SCUMMVM läuft The Secret of Monkey Island auch heute noch perfekt auf jedem XP-, Vista-, oder 7-PC und laut Wikipedia auch auf Apples Heimcomputern (als Nicht-Macler kann ich dazu nix sagen). Darüber hinaus gibt es seit 2009 auch eine überarbeitete Special Edition des Spieles, die u.a. für PC oder XBox360 heruntergeladen werden kann - zum fairen Preis von 8,99 €. Wer das leider etwas kurze Spiel gerne mal ausprobieren würde, was ich jedem nur empfehlen kann, der hat inzwischen also gleich mehrere Möglichkeiten, dies auch zu tun.

EDIT:

Dass Monkey Island auch bei Twitter zum Totlachen witzig wäre, zeigt diese wirklich gelungene Grafik. Nerd-Humor ist und bleibt einfach großartig!

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Mittwoch, 2. Juni 2010
PoliTick: Bekenntnisse eines deutschen Bummelstudenten
Am 02. Juni 2010 im Topic 'PoliTick'


Ich zähle mich selbst zu den sogenannten "Bummelstudenten", von denen man in letzter Zeit so viel liest und gegen die so viele PolitikerInnen in Don-Quijote-gleicher Manier zu Felde ziehen. Warum ich mich als "Bummelstudent" sehe? Nun, ich bin jetzt im 8. Semester und fange jetzt erst allmählich mit dem Schreiben der Zwischenprüfungen an, die in Studienverlaufsplänen bereits für das 3. oder 4. Semester vorgesehen sind. Laut diesem Plan sollte ich mein Studium inzwischen auch fast abgeschlossen haben, aber soweit bin ich derzeit eben noch nicht.

Doch obwohl ich ein "Bummelstudent" bin, bin ich nicht faul. Ich studiere an der Uni des Saarlandes Germanistik und Anglistik auf Lehramt an Gymnasien. Und das mit Spaß und aus Überzeugung. Jeder, der es hören will, bekommt von mir auch gerne mal erzählt, dass ich "mein Hobby studiere", weil ich mich auch privat sehr für Literatur und Sprachen interessiere.

Aus diesem Grund belege ich an der Uni auch gerne viele Kurse, zwar nicht immer die, die ich laut der Studienordnung bräuchte, aber auf jeden Fall solche, die mich interessieren. Und da bin ich dann auch froh, noch zur "alten" Studienordnung und nicht zur grottenschlecht verschulten "modularisierten" Studienordnung zu gehören. In der bleibt nämlich kein Platz für Kurse, die man, so wie ich es jedes Semester mit Freude tue, einfach mal aus Spaß belegt - und nicht wegen der Jagd nach den verlorenen "Credit Points".

Und da bedanke ich mich dann auch gerne mal bei Germanistik, Anglistik/Amerikanistik und Komparatistik der UdS, die auch mal etwas abseitigere, dafür aber wirklich gute Kurse zu "Einführung in Theorie und Geschichte des Comics", "Sexualität und Literatur", "Terrorismus in der Literatur", "Mystery and Terror in the Writings of Edgar Allan Poe" oder "Deutschsprachige Lyrik aus der Bukowina: Paul Celan und die anderen" gleichberechtigt zu solchen über Goethe, Kafka, Charles Dickens oder Nobelpreisträgerinnen anbieten. Hier zeigt sich, dass die Saarbrücker Literaturwissenschaftler sehr "open minded" sind und auch gerne mal neuere Themen aufgreifen. Solche Kurse belegt man dann doch gerne auch mal nur aus Interesse oder Spaß. Was natürlich nicht bedeutet, dass die "Klassiker" uninteressant wären, im Gegenteil, ich habe auch schon einen Kurs zu "Goethes Lyrik" einfach nur aus Spaß belegt, weil ich fand, dass Goethe zu einem gelungenen Germanistikstudium definitiv dazugehört.

In diesem Semester habe ich die Vorlesung "The Places of Literary History: Regionalism Revisited in U.S. American Literature", die Proseminare "Californian City Stories", "Die Utopie als literarische Gattung", "Einführung in Theorie und Geschichte des Comics" sowie die beiden Übungen "Die femme fatale in Literatur, Musik und Bildender Kunst" und "Unterweltsfahrten" einfach nur aus Spaß und Interesse belegt. Durch die Bank alles gute, interessante und lehrreiche Veranstaltungen, die ich gerne besuche und bei denen mich deshalb zur Anwesenheit auch niemand zwingen muss. Ein Lob an die jeweiligen DozentInnen.

Ich gebe ja gerne zu, dass ich die Belegung manch eines Pflichtkurses auch mal herausgezögert habe, aber dass macht mich noch lange nicht faul, da ich stattdessen oftmals zwei, drei oder sogar vier Proseminare und Vorlesungen rein aus Interesse heraus belegt habe. Ich studiere, weil mir meine Fächer Spaß machen und ich belege so viele Kurse, auch einfach "mal so", weil ich möglichst viel und ein möglichst breit gefächertes Wissen aus meinem Studium mitnehmen möchte.

In der Diskussion über die "Bummelstudenten" zeigt sich, meiner Meinung nach, ein mehr als menschenfeindliches Bild von den Studierenden. Die sollen gefälligst möglichst schnell und möglichst stromlinienförmig ihr Studium durchziehen, damit sie möglichst schnell für die Wirtschaft verwertbar sind. Die gleiche neoliberal-menschenverachtende Ideologie steht auch hinter G8, dass die Schulzeiten mutwillig verkürzt, die Lernbelastung jedoch gleich bleiben, öfter sogar noch ansteigen lässt. Burn-Out-Syndrom und andere psychische Erkrankungen kommen unter SchülerInnen und Studierenden deshalb immer häufiger vor, einziger Gewinner sind private und kommerzielle Nachhilfe-Institute, die gegen viel Geld das nachholen, was im auf die Wirtschaft ausgerichteten Bildungssystem nicht mehr möglich ist.

Da stellt sich dann die Frage: Müssen wir uns wirklich von der Wirtschaft vordiktieren lassen, wie lange wir bis zum Abi zu brauchen haben, oder wie lange ein Studium sein darf? Persönliche Entfaltung von Interessen, Fähigkeiten und Talenten wird in einem solch regulierten Bildungssystem nicht geben. Letztendlich gehen wir damit sogar einen Schritt zurück in die Vergangenheit, noch vor die Aufklärung, die Kant immerhin als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" definiert hat. Das halte ich für absolut fatal.

Nicht alle "Bummelstudenten" sind faul, ich selbst bin teilweise von 8:00 bis 16:00 Uhr an der Uni und habe gleich vier Kurse, von denen ich dann drei "einfach nur so" und aus Spaß mache, darüber hinaus bin ich jeweils noch eine Stunde mit dem Bus hin und zurück unterwegs. Macht insgesamt einen 10-Stunden-Tag. Wer da "Bummelstudenten" noch als "faul" beschimpft, der soll doch bitte noch ein Mal nachdenken.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen und es gibt faule Studierende, die im 30. Semester immer noch nicht ihre Grundkurse absolviert haben und ihr Studium vmtl. auch nie (erfolgreich) beenden werden. Aber dass wegen dieser Ausnahmen gleich alle Studierenden in Sippenhaft genommen werden, finde ich geradezu widerwärtig.

Die meisten Studierenden, gerade in den Geisteswissenschaften, sind voller Tatendrang, voller Idealismus und studieren aus Spaß an der Sache. Dass auch all diesen engagierten Studierenden von Medien und PolitikerInnen die Keule mit der Aufschrift "Bummelstudenten" mit voller Wucht über den Kopf gezogen wird, zeigt, dass seitens der Verantwortlichen in der Politik gar kein richtiges Interesse daran besteht, sich mit der wirklichen Situation der Studierenden zu befassen. Stattdessen betreibt man die Amerikanisierung des deutschen und europäischen Bildungssystemes, obwohl eigtl. bekannt ist, dass gerade die USA nicht gerade mit dem Besten Bildungssystem aufwarten können.

Statt die Schul- und Studienzeiten mutwillig zu verkürzen, sollte viel mehr die freie Entfaltung der jungen Menschen gefordert und gefördert werden. Keine starren, verschulten Stundenpläne, sondern nach Interessen selbst zusammenstellbare. Nur so lernen Studierende auch Eigenverantwortung. Ansonsten werden die Unis nur zum Wurmfortsatz der Schulen, der sich irgendwann, genau wie beim menschlichen Körper, entzündet und amputiert werden muss. Lassen wir es nicht so weit kommen. Dann vlt. lieber doch ein bisschen "bummeln", frei entfalten und lange gesund bleiben.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Dienstag, 1. Juni 2010
NeoRetro: Earthbound
Am 01. Juni 2010 im Topic 'NeoRetro'


Ich möchte diese Kategorie zu einer mehr oder weniger regelmäßigen Kategorie in meinem Blog machen und da sie sich mit Videospielen auseinandersetzen wird, gehört sie natürlich zum angekündigten Nerd-Kram. NeoRetro heißt diese Kategorie, da ich seit einiger Zeit alte Videospiele auf meinem PC spiele, teilweise unter Verwendung verschiedener Emulatoren und mit extra eingekauftem USB-Gamepad, die während der damaligen Zeit leider an mir vorbeigegangen sind, mir dafür jetzt oft noch viel mehr Spaß machen als das evtl. vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre. Die Spiele sind also alt (retro), für mich persönlich aber neu (neo), deshalb NeoRetro. Klingt komisch? Ja, vielleicht ist es das sogar. Aber egal.

Im Übrigen setze ich in meinen zukünftigen Reviews durchaus die eine oder andere Gamer-Vokabel als bekannt voraus. Wer nicht weiß, was z.B. ein "rundenbasiertes Kampfsystem" oder eine "isometrische Spielsicht" sind, sollte vlt. nochmal schnell Wikipedia konsultieren, besser als dort kann ich es ohnehin nicht erklären.

Titel: Earthbound
Konsole: Super Nintendo Entertainment System (SNES)
Entwickler: Ape/HAL Laboratory
Publisher: Nintendo
Erscheinungsjahr: 1994/95
Genre: Rollenspiel

Als erstes Spiel möchte ich in dieser Rubrik das Rollenspiel Earthbound aus dem Hause Nintendo aufnehmen. Ein Spiel, das einerseits auf eine gewisse Art und Weise bekannt ist, das andererseits aber doch kaum jemand gespielt hat. Bekannt ist es dadurch, dass die Hauptfigur Ness bisher in allen drei Super-Smash-Bros.-Teilen als freischaltbare Figur aufgetaucht ist, unbekannt ist es dadurch, dass das entsprechende SNES-Spiel sich nach seinem Erscheinen 1994/95 jedoch eher schlecht als recht verkauft hat und bei einigen Spielern erst allmählich ein Interesse an Ness' Herkunft entsteht (zugegebener Maßen auch bei mir). Eigentlich schade, denn hinter dem Titel Earthbound versteckt sich ein sehr gutes Rollenspiel, dass ich jedem überzeugten Gamer wärmstens empfehlen kann.

Kurz zur Story: Ness, ein kleiner Junge, der Baseball liebt und übernatürliche Psi-Kräfte besitzt, wacht nachts auf, weil ein Meteorit in seinem Heimatort Onett eingeschlagen ist. Zusammen mit seinem Hund King und dem Nachbarsjungen Pokey (bzw. Porky) Minch begibt er sich an die Absturzstelle. Von einem Alien namens BuzzBuzz, dass aus der Zukunft kommt, erfährt Ness, dass er auserwählt wurde, gegen Gigyas, der die Welt zerstören möchte, zu kämpfen. BuzzBuzz, Pokey/Porky und King stehen Ness jedoch nur kurz zur Seite, schnell muss er sich alleine auf den langen und beschwerlichen Weg machen.

Doch nach und nach bekommt er Hilfe von der ebenfalls Psi-begabten Paula, dem technisch versierten Physikstudenten Jeff sowie Poo (toller Name...), dem jungen Prinzen des fernen Landes Dalaam. Alle bringen spezielle Fähigkeiten mit. Paula kann beten, Jeff verschiedene Geräte reparieren und bedienen, Poo kann sich in seine Gegner verwandeln, außerdem können mit Ausnahme von Jeff alle ihre Psi-Kräfte nutzen und verschiedene Zauber auf die Gegner loslassen. JoJos, Baseballschläger und Bratpfannen werden in Earthbound zu überraschend effektiven Waffen umfunktioniert.

Obwohl die Story als episch beschrieben werden könnte, nimmt das Spiel sich selbst eher auf die leichte Schulter und macht mehr als einen Witz. In verschiedenen Sidequests muss man z.B. eine Jazz-Band, die ständig in finanzielle Notsituationen gerät, unter die Arme greifen, damit man im Spiel weiterkommen kann. Oder eine signierte Bananenschale erweist sich als das lang gesuchte Item, dass einen weiterbringt. Das eine oder andere Schmunzeln wird das Spiel beim Spieler auf jeden Fall hervorzaubern.

Earthbound ist sehr linear aufgebaut, frei in der Welt herumreißen kann man zwar schon früh zu Fuß, das ist jedoch langwierig und mühselig, richtig sinnvoll wird es auch erst später mit den beiden Warp-Zaubersprüchen, die allerdings so ihre Tücken haben und erst einmal gemeistert werden wollen. Mich selbst haben sie jedenfalls manche Nerven gekostet.

Gut gelungen ist vor allem das Kampfsystem, welches Rollenspiel-typisch rundenbasiert ist. "REs", also "random encounters", Zufallskämpfe, gibt es keine, da man die Gegner in der isometrisch dargestellten Umgebung immer sehen und ihnen ggf. ausweichen kann, was jedoch sowohl Glück als auch Geschick erfordert. Schafft man es, einen Gegner von hinten anzugreifen, bekommt man einen Überraschungsangriff und kann den Gegner evtl. sogar ohne jegliche Gegenwehr ausschalten - umgekehrt gilt das aber leider auch. Man sollte es deshalb vermeiden, den Gegnern den Rücken zuzudrehen. Vor den sehr psychedelischen Kampfhintergründen macht das Kräftemessen mit wilden Tieren, Aliens oder alten Omas (da nimmt der Generationenkonflikt doch mal ganz neue Ausmaße an) viel Spaß - dank der erwähnten Spezialfähigkeiten der vier Charaktere ergeben sich mitunter interessante strategische Erwägungen.

Erwähnenswert ist auch die rollende HP-Anzeige. Wird man von einem Gegner getroffen, womöglich sogar tödlich, rollen die HP langsam gegen 0. Schafft man es jedoch bevor dieser Countdown beendet ist, die Figur zu heilen, oder den Kampf zu beenden, bleibt die Anzeige augenblicklich stehen und die Figur ist nochmal gerettet. Wenn man also schnell reagiert, kann man noch so manchen Kampf drehen.

Die Grafik ist bewusst sehr Comic-mäßig gestaltet, was jedoch perfekt zum lockeren und lustigen Grundton des gesamten Spieles passt. Gelungen ist auch die akustische Untermalung, insbesondere das Hotel-Theme und das Snowman-Theme gefallen mir sehr gut. Zum genialen Snowman-Theme gibt es hier ein interessantes und sehenswertes Video, dass sich mit Geschichte und Entwicklung des Stücks auseinandersetzt: http://www.youtube.com/watch?v=XtBkOJkamKE

Der finale Kampf gegen Gigyas hat mich emotional richtig mitgenommen, die Spielemacher haben sich etwas wirklich Cleveres ausgedacht, damit unsere vier Helden den Kampf nicht ganz alleine austragen müssen und sogar der Spieler selbst seinen Teil zum Showdown beitragen kann. Super, kann ich da nur sagen.

Wer noch mehr über das Spiel wissen will, der kann hier mal reinschauen: http://en.wikipedia.org/wiki/EarthBound

Jede Menge guter Screenshots gibt es hier, weshalb ich mich auch dagegen entschieden habe, eigene zu machen: http://www.mobygames.com/game/snes/earthbound/screenshots

Fazit:

Earthbound ist kein Final Fantasy - weder grafisch, noch musikalisch, noch von der Tiefe der Story her. Doch dass muss es auch gar nicht, um ein gutes Rollenspiel zu sein - und das will es auch gar nicht erst. Earthbound ist locker-lustig, bunt und steckt voller guter Einfälle, die in Erinnerung bleiben. Das Spiel nimmt seine vier Charaktere ernst, bietet gerade bei Kämpfen interessante Innovationen und erzählt, bei aller Lockerheit, doch auch eine ernstzunehmende und mitreißende Geschichte über das Erwachsenwerden. Und mit Baseballschlägern, Bratpfannen und Feuerwerksraketen die Welt in rundenbasierten Kämpfen vor fiesen Aliens zu retten, ist wirklich etwas, was man in einem Videospiel nicht allzu oft tut. Es bleibt zu hoffen, dass Nintendo die Fans dieses Spieles erhört und es endlich als Download für die Virtual Console der Wii rausbringt. Ich würde es dann gleich noch mal durchzocken!

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Montag, 31. Mai 2010
GlotzGedanken: TV-Werbungen und ihre "Tiefenstruktur"
Am 31. Mai 2010 im Topic 'GlotzGedanken'


Wer TV-Werbungen nicht einfach "wegzappt" oder zur wohlverdienten Pinkelpause nutzt, der kann bei näherer Betrachtung auch in etwas vermeintlich Simplem wie einem Werbespot durchaus interessante Tiefenstrukturen erkennen.

Beruf statt Job:

In einer Werbung für Überraschungseier der Firma Kinder(schokolade) Ferrero hat in den letzten Wochen und Monaten ein gewisses Detail immer wieder meine Aufmerksamkeit erregt und mich geradezu fasziniert. Der Direktor einer fiktiven Schokoladenfabrik, die sehr stark an die aus einem gewissen Buch des Schriftstellers Roald Dahl bzw. dessen beiden Verfilmungen erinnert, führt "der Direktor" mehrere Angestellte durch eben diese Fabrik und erklärt am Ende der Werbung, dass er seinen Beruf liebe. An sich ist diese Werbung nichts Besonderes. Aber für mich liegt das Besondere darin, dass der fiktive Direktor und damit auch die Autoren, die hinter dieser Werbung stecken, ganz bewusst das Wort "Beruf" benutzen. Und nicht das aus dem Englischen entlehnte "Job", dass das Wort "Beruf" immer mehr zu verdrängen scheint.

Zunächst einmal: ich habe als Anglist generell nichts gegen die Übernahme englischer Wörter in das Deutsche. Oft genug ist uns noch nicht einmal bewusst, dass Wörter wie etwa "Streik", "Keks" oder Schal" ursprünglich von ihren englischen Gegenstücken "strike", "cakes" oder "shawl" kommen. Doch bei den genannten Wörtern "Beruf" und "Job" besteht dann doch ein deutlicher Bedeutungsunterschied, der den Menschen gar nicht bewusst ist.

Die englische Redewendung "just a job to do" bedeutet im Deutschen etwa "jemand muss es halt machen". Es dürfte für jeden klar erkennbar sein, dass diese Redewendung eine deutliche negative Konnotation hat. Wenn dies dann auch noch in die Alltags- und insbesondere in die politische Sprache Einzug hält, dann geht damit eine Abwertung des bisherigen Begriffes "Beruf" einher. Mini-Jobs, Midi-Jobs, 1-€-Jobs, 400-Euro-Jobs. Aus ernsthafter Arbeit, die man gerne und aus Überzeugung ausübt, werden "Dinge, die jemand halt machen muss".

Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass man sich gerade in der oftmals zu stark und zu starr anglisierten Werbewelt (man denke nur an den Douglas-Klassiker "Come in and find out", den bis heute kaum jemand sinngemäß richtig übersetzen kann) ab und an doch an den mitunter ganz erheblichen Bedeutungsunterschied zwischen englischen und deutschen Wörtern erinnert und lieber das sinngemäß Passendere aus der eigenen Muttersprache wählt.

Frauenmund tut Wahrheit kund:

Interessant ist ebenfalls eine Werbung der Sparkasse, in der sich der Vorstand/Aufsichtsrat der fiktiven und mit einem sprechenden Namen versehenen 08/15-Bank trifft und über Mittel zur Behebung des enormen Kundenverlustes berät.

Einer der vielen grauen Männer aus der Runde bringt den Vorschlag mit dem Verteilen bunter Fähnchen, der vom Rest der Versammlung einigermaßen zustimmend zur Kenntnis genommen wird. Dann kommt der große Auftritt der einzigen Frau in der Runde, die vorschlägt, die Sparkassen und deren Erfolgsrezept nachzuahmen, was zunächst noch auf Wohlwollen stößt, dann aber doch schnell wieder abgelehnt wird, als erkennbar wird, wie hoch sowohl der finanzielle als auch der personelle Aufwand dieses Vorschlages sind.

Zwar "siegt" in diesem Spot vordergründig ein Mann mit einem geradezu naiv-dümmlichen Vorschlag, eigentlicher Sieger ist jedoch die einzige Frau der Runde, die mit einem guten Vorschlag beim Zuschauer punkten kann. Bei näherem Betrachten, insbesondere aus der Gender-Perspektive, fällt einem dann auf, dass es durchaus interessant ist, dass der vernünftigste und beste Vorschlag von einer Frau, noch dazu der einzigen des Aufsichtsrates kommt.

Gerade in einer Zeit, in der erfreulicher Weise auch in der Öffentlichkeit wieder über Frauenquoten für Führungsgremien der Wirtschaft sowie "equal pay", also gleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleiche Arbeit, diskutiert wird, spiegelt dieser Werbespot die tatsächlich vorherrschende Situation in deutschen Aufsichtsräten auf eine wirklich gelungene Art und Weise wieder. Frauen sind dort nämlich kaum und wenn, dann wie im TV-Spot, meist nur als Einzelkämpferinnen unterwegs und können sich aus dieser schwachen Position heraus selbst mit guten Vorschlägen nur schwer gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Insofern stellt der Werbespot auch eine interessante Parabel über die Struktur deutscher und internationaler Aufsichtsräte dar, denen etwas mehr Frauenpower ganz bestimmt sehr gut tun würde.

Fazit:

Es zeigt sich, dass eine genauere Betrachtung manches Werbespots durchaus interessante Tiefenstrukturen zu Tage fördern kann. Werbung kann mitunter also doch intelligenter und besser sein als ihr Ruf.

EDIT:

Von Twitter-User saarlandundmehr ( http://twitter.com/saarlandundmehr ) gab es noch ein paar Ergänzungen, die ich hier gerne anfügen möchte:

saarlandundmehr: "Ich meine mich zu erinnern, dass der Schoko-Direktor in einer frühen Fassung des Spots mal vom Job sprach."

saarlandundmehr: "Für schlechte Jobs hat sich im Englischen übrigens der "McJob" durchgesetzt - sehr zum Mißfallen einer gewissen Fastfood-Kette."

saarlandundmehr: "Und zum grandiosen Sparkassen-Spot fällt mir nur noch das hier ein: http://youtu.be/92C3Qwsduzw :-D #fdp"

Wenn das stimmen sollte, dass in dem Spot zunächst tatsächlich "Job" statt "Beruf" benutzt wurde, würde das meine These mit der Tiefenstruktur ja untermauern, da dann offensichtlich auch bei den Verantwortlichen jemand den Bedeutungsunterschied bemerkt hat.

Zum Extra3-Spot über die "Fähnchen-Dreh-Partei" muss man nicht mehr allzu viel sagen - gelungene Satire, wie immer.

EDIT2:

mwanke ( http://twitter.com/mwanke ) hat mich bei Twitter darauf hingewiesen, dass die Schokofirma natürlich Ferrero heißt und "Kinder" nur ein Markenname ist. Vielen Dank dafür!

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 
Aller Anfang ist schwer...
Am 31. Mai 2010
Ich hab mir jetzt einen Blog zugelegt und werde hier zukünftig über alle möglichen Dinge philosophieren. Viel Politik, da ich politisch sehr aktiv bin, mit Sicherheit auch einiges an Nerd-Kram, da mich sowas brennend interessiert, und viel andere Dinge...

Aber zuerst muss ich mir hier mal zurechtfinden und mir alles so einrichten, dass es mir gefällt.


Impressum:

Tim Rozenski
Kettelerstraße 5-7
66287 Göttelborn
tim[at]zukunft-goettelborn.de

Haftungsausschluss:

Haftung für Inhalte

Die Inhalte meiner Seiten wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte kann ich jedoch keine Gewähr übernehmen. Als Diensteanbieter bin ich gemäß § 7 Abs.1 TMG für eigene Inhalte auf diesen Seiten nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Nach §§ 8 bis 10 TMG bin ich als Diensteanbieter jedoch nicht verpflichtet, übermittelte oder gespeicherte fremde Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben hiervon unberührt. Eine diesbezügliche Haftung ist jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis einer konkreten Rechtsverletzung möglich. Bei Bekanntwerden von entsprechenden Rechtsverletzungen werde ich diese Inhalte umgehend entfernen.

Haftung für Links

Mein Angebot enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte ich keinen Einfluss habe. Deshalb kann ich für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten ist jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte einer Rechtsverletzung nicht zumutbar. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werde ich derartige Links umgehend entfernen.

Urheberrecht

Die durch die Seitenbetreiber erstellten Inhalte und Werke auf diesen Seiten unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung des jeweiligen Autors bzw. Erstellers. Downloads und Kopien dieser Seite sind nur für den privaten, nicht kommerziellen Gebrauch gestattet. Soweit die Inhalte auf dieser Seite nicht vom Betreiber erstellt wurden, werden die Urheberrechte Dritter beachtet. Insbesondere werden Inhalte Dritter als solche gekennzeichnet. Sollten Sie trotzdem auf eine Urheberrechtsverletzung aufmerksam werden, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werde ich derartige Inhalte umgehend entfernen.

Datenschutz

Die Nutzung meiner Webseite ist in der Regel ohne Angabe personenbezogener Daten möglich. Soweit auf meinen Seiten personenbezogene Daten (beispielsweise Name, Anschrift oder eMail-Adressen) erhoben werden, erfolgt dies, soweit möglich, stets auf freiwilliger Basis. Diese Daten werden ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben.

Ich weise darauf hin, dass die Datenübertragung im Internet (z.B. bei der Kommunikation per E-Mail) Sicherheitslücken aufweisen kann. Ein lückenloser Schutz der Daten vor dem Zugriff durch Dritte ist nicht möglich.

Der Nutzung von im Rahmen der Impressumspflicht veröffentlichten Kontaktdaten durch Dritte zur Übersendung von nicht ausdrücklich angeforderter Werbung und Informationsmaterialien wird hiermit ausdrücklich widersprochen. Die Betreiber der Seiten behalten sich ausdrücklich rechtliche Schritte im Falle der unverlangten Zusendung von Werbeinformationen, etwa durch Spam-Mails, vor.

Quelle: Disclaimer von eRecht24, dem Portal zum Internetrecht von Rechtsanwalt Sören Siebert.

Permalink (4 Kommentare)   Kommentieren