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PoliTick: Ein paar Gedanken zur Rente mit 67
Am 18. August 2010 im Topic 'PoliTick'


Ich wollte mich ja eigentlich gar nicht zu dem Thema äußern, muss jetzt aber doch meinen Senf dazugeben. Es geht um die Rente mit 67. Im Gegensatz zu vielen meiner GenossInnen befürworte ich die Rente mit 67. Warum? Die Menschen werden dank aller medizinischen und auch ernährungstechnischen Fortschritte immer älter und bleiben auch immer länger gesund. Auf lange Sicht muss, meiner Meinung nach, deshalb eine allmähliche Anhöhung des Renteneintrittsalters erfolgen.

Darüber hinaus verschiebt sich der berufliche Werdegang immer weiter nach hinten. Haben viele früher schon mit 16 (teilweise sogar schon mit 15) ihre Lehre angefangen, so beginnen heute viele eine Ausbildung erst mit 18 oder eben noch später. Mein Bruder ist 20 und fängt jetzt erst eine Ausbildung an, da er nach der Realschule lieber weiter die Schulbank gedrückt hat und zur FOS für Technik gegangen ist. Ein guter Freund von mir hat seine Ausbildung, ebenfalls nach Realschule und FOS, erst mit 21 begonnen. Auch dieser Entwicklung muss begegnet werden.

Natürlich kann dies nicht pauschal erfolgen. Körperlich fordernde Berufe, in denen mit ganzem Kraftaufwand "malocht" wird, müssen eine Ausnahme sein. Als Sohn eines Betonbauers und Spross einer Bergmannsfamilie weiß ich, dass Menschen in diesen Berufen einfach nicht bis 67 arbeiten können. In anderen Berufen kann ich mir das jedoch durchaus vorstellen.

Allerdings muss sich dazu auch etwas in der Gesellschaft ändern. Jemand kann z.B. auch mit 67 noch in einem Bauunternehmen arbeiten, wenn er nicht an der "vordersten Front" eingesetzt wird und sich Knochen und Gelenke zerschinden muss, sondern, wenn er seine Erfahrung in der Planung von Bauvorhaben oder in der Ausbildung junger Menschen einbringen kann. Ich persönlich habe großen Respekt vor der Lebens- und Berufserfahrung älterer Menschen. Und ich bin überzeugt davon, dass viele Unternehmen und die Arbeitswelt allgemein sehr viel von dieser Erfahrung profitieren könnte.

Ich bin auch dafür, die Diskussion fairer zu führen. Wenn der DGB Saar Postkarten verteilt, auf denen ein Rollstuhlfahrer zu sehen ist mit dem Spurch "Opa fährt zur Arbeit", dann ist das zwar bewusst provokant, entspricht jedoch nicht unbedingt dem, was wirklich geschehen wird bzw. soll. Auch die Gewerkschaften müssen sich den oben genannten soziologischen Veränderungen der heutigen Lebenswirklichkeiten stellen - derzeit werden diese noch sehr gerne ausgeblendet. Ich bin ein absolut überzeugter Unterstützer der (DGB-)Gewerkschaften, aber bei diesem Punkt bin ich einer entschieden anderen Meinung.

Im Übrigen stelle ich bei der Diskussion um die Rente mit 67 auch immer wieder einen Generationenkonflikt fest. Während gerade Menschen zwischen 40 und 50, die von der Gesetzgebung überhaupt nicht und wenn, dann nur in einem geringen Maße betroffen sind, sich auf das Massivste aufregen, teilweise auch recht künstlich, stehen viele junge Menschen in meinem Alter dem Thema recht geschlossen gegenüber - obwohl sie ja am Ehesten davon betroffen sind.

Bevor jedoch das gesetzliche Renteneintrittsalter angehoben wird, muss erst ein Mal das de-facto-Renteneintrittsalter erhöht werden, das derzeit bei 62 liegt. Ansonsten ist die Rente mit 67 nämlich wirklich das, was ihr oft genug vorgeworfen wird, eine Rentenkürzung durch die Hintertür. Und das lehne ich natürlich ab.

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