TiRos Blog
Sonntag, 15. Januar 2012
The Elder Scrolls V: Skyrim
Am 15. Januar 2012 im Topic 'NeoRetro'


Geradezu sehnsüchtig hatten viele Rollenspieler den 11.11.2011 erwartet, den sich Bethesda als weltweites Erscheinungsdatum für Skyrim, den inzwischen fünften Teil der The-Elder-Scrolls-Reihe, ausgesucht hatte. Die Marketingstrategie erwies sich als erfolgreich, in den Verkaufscharts lag Skyrim teilweise sogar deutlich vor Überkrachern wie Battlefield oder Call of Duty. In fast allen Top-Listen verschiedenster Magazine über das Spielejahr 2011 taucht es auf und konnte sich häufig sogar den ersten Platz sichern. Ich habe es schon meinem Beitrag zu Chrono Trigger geschrieben, dass ich bei zu viel Hype gerne vorsichtig bin. Nur weil die große Masse etwas gut findet, muss es deshalb noch lange nicht gut sein.

Ich habe The Elder Scrolls: V inzwischen deutlich über 150 Stunden lang gespielt und habe die Hauptquest sowie einige Nebenmissionen erfolgreich abgeschlossen. Ich spiele die deutsche Version und der Begriff Himmelsrand (für Skyrim) gefällt mir auf Deutsch richtig gut und klingt für mich irgendwie so richtig "rollenspielig".

Man startet als Gefangener und muss sein virtuelles Blickfeld stets zu den zwei Mitgefangenen drehen, wenn man sich deren vergessbare Aussagen anhören möchte. Danach kann man sich dann eine eigene Figur erstellen. Neben Mensch, Ork und Elf kann man auch ein Katzen- oder Reptilienwesen sein. Ich persönlich habe mich für einen männlichen Nord entschieden.

Da beginnt schon mein Problem mit West-RPGs: Ich habe bei Charaktereditoren immer das leichte Gefühl, dass es relativ egal ist, wer, wie oder was meine Figur ist. Die Hauptfigur in Skyrim ist eine leere Hülle, während beispielsweise Hawke in Dragon Age II dank einer eigenen Stimme eine echte Persönlichkeit bekommt und sich nach einer gewissen Zeit in den Dialogen sogar entsprechend der Antworten des Spielers verhalten hat. Der Skyrim-Hauptheld bleibt, wie so viele Videospielfiguren, stumm.

Ich weiß auch nicht, ob es einen wirklich großen Unterschied macht, für welche Rasse man sich jetzt entscheidet. Und ich habe auch nicht das Bedürfnis, es auszuprobieren.

Die Spielerfigur ist natürlich der lange erwartete und sagenumwobene Auserwählte, der als Einziger mit der Drachenplage, die Himmelsrand zufällig gerade heimsucht, fertig werden kann. Es stellt sich nämlich heraus, dass man ein sogenanntes Drachenblut ist und die Seelen der fliegenden Riesenreptilien in sich aufnehmen kann.

Da die vom Spieler erstellte Figur nur zweckmäßig und leider so uninteressant ist, braucht das Spiel zwangsläufig einen eigentlichen Hauptdarsteller, in diesem Fall die riesige Welt, in der es viel zu entdecken gibt. Diese ist wirklich gut gestaltet, aber nach einer gewissen Zeit stellt man fest, dass es echte Abwechslung eben doch nicht gibt. Tundra, Wasser, Berge und Schnee gehen fließend in einander über. Das ist natürlich eine bewusste Entscheidung gewesen, soll das Spiel doch einen nordisch-Wikinger-mäßigen Stil verbreiten.

Man kann sich in der Welt von Skyrim so richtig schön verlieren. Da will man nur noch ein paar Quests erledigen und plötzlich ist es vier Uhr morgens. Man entdeckt hier eine Ruine, bekämpft dort Bären, baut Metallerze ab oder sammelt Pflanzen.

Was auf die Welt zutrifft, gilt auch für die Dungeons. Mal sind es Eishöhlen, mal verlassene Gefängnisse, aber wirklich interessant sind letztendlich nur die Dwemer-Ruinen mit ihren mechanischen Wächtern, wenn die Bärenhöhlen oder Gletscherspalten auch gut gestaltet sind. Die Toten in Himmelsrand können offensichtlich nur in Unfrieden ruhen und suchen als Wiedergänger grundsätzlich jede Begräbnisstätte heim, die Nord können einem mit diesem Schicksal ziemlich leid tun. Nach dem Ab- kommt das untote Leben.

Skyrim hätte mich vielleicht mehr beeindruckt, wenn ich nicht vorher Xenoblade Chronicles gespielt hätte, in dem die Welt auf den Körpern zweier riesiger Titanen entstanden und entsprechend außergewöhnlich ist. Skyrim bietet dagegen den für die meisten West-RPGs typischen und bei Tolkien geklauten Fantasy-Einheitsbrei. Das ist überhaupt nichts Verwerfliches und ich bin auch großer Herr-der-Ringe-Fan, aber gegenüber den vielen originellen Ideen und faszinierenden Landschaften, die mir ein Xenoblade geboten hat, fand ich Skyrim recht durchschnittlich.

Und so gut und detailreich die Grafik auch ist, waren mir manche Teile der Spielwelt einfach zu schwarz-weiß und ich hatte das Gefühl, dass ich nachschauen müsste, ob das Kabel noch richtig drin ist. Klar, Schnee ist weiß, aber auch da muss ich wieder an Xenoblades Berg Valak erinnern, wo nachts Kristalle ein goldenes Licht verbreiten und Schnecken über Eisflächen skaten. Bei Skyrim gibt es Schnee, Steine, Bäume und vielleicht noch einen Wolf.

Besonders enttäuscht hat mich aber, dass das groß angekündigte Feature der Drachen und damit richtig viel Potential komplett verschwendet wurde. Die Riesenechsen greifen einen am Fließband an, teilweise hat man innerhalb von 10 Minuten drei Kämpfe gegen Drachen, die so zur absoluten Belanglosigkeit verkommen und regelrecht nerven. Wenn ich da an ein Shadow of the Colossus denke, wo die Endgegner mehr oder weniger den jeweiligen Level darstellen, hätte ich mir da wesentlich mehr erhofft. Auf Drachen klettern, sich an ihnen festhalten und im Sturzflug durch die Luft rasen, während man versucht, eine Schwachstelle zu finden - das wäre doch richtig spannend gewsen. Das Design der Drachen ist zwar toll, vor allen Dingen die Bewegungen, aber auch hier gibt es keine Abwechslung. Wenn ich mir dann anschaue, dass ich in Dark Souls gegen einen sogenannten "Klaffdrachen" antrete, dessen Körper ein riesiges Maul ist, dass mich zu verspeisen droht, dann verblassen dagegen die immer gleichen Feuer-, Eis- und Blutdrachen Himmelsrands völlig.

Oder man hätte den Drachen als echten Bossgegnern eine Persönlichkeit geben sollen. Zwei Drachen, bei denen das ausnahmsweise tatsächlich der Fall war, habe ich im Verlauf der Handlung als durchaus interessante Charaktere kennengelernt und eben nicht getötet, obwohl eine gewisse Fraktion dies gerne so gehabt hätte.

In Dragon Age II war ein bestimmter Drache einer der schwierigsten Gegner überhaupt und konnte nur mit guter Strategie und passender Ausrüstung überhaupt besiegt werden, in Skyrim habe ich die nervigen Schuppenträger mit einem Kaffee in der einen und dem Gamepad in der anderen Hand weggeknüppelt.

Die himmelsrändischen NPCs und deren Quests empfand ich eigentlich alle als uninteressant und ohne Auswirkung, in Xenoblade Chronicles lernte man viele Figuren gut kennen und half ihnen, oft konnte man sich zwischen zwei NPCs und verschiedenen Lösungswegen mit unterschiedlichen Auswirkungen entscheiden. Wenn man mit einer Sammelquest verhindern kann, dass ein kleiner Nopon-Junge ertrinkt, wovon man in einer Vision erfahren hat, dann hat mich das emotional wesentlich mehr involviert als die dauernden Kopfgeldmissionen in Syrim. Relativ früh habe ich mich gefragt, warum und wozu ich das hier eigentlich mache, was der absolute K.O.-Schlag für ein Rollenspiel ist, das von seinen Nebenquests leben will.

Beim Thema nicht-spielbare Charaktere muss man natürlich erwähnen, dass ausnahmslos jede Wache in Skyrim ursprünglich mal ein Abenteurer, bis sie einen Pfeil ins Knie bekam. Während die NPCs bei Dragon Age II auch mal die vierte Wand durchbrechen und darüber philosophieren, ob sie nicht von einem Fremden gesteuert werden, ist das einfach nur schlecht geschrieben und dahingerotzt.



Für mich stellt sich auch die Frage, ob Skyrim nicht einfach zu groß ist. Zu viel Magie, zu viele Waffen, zu viele Schreie und effektiv wird bei den meisten Spielern 80 % davon ungenutzt bleiben. Mir persönlich wäre weniger, dafür besser ausgearbeiteter Content lieber gewesen

Eine typische Situation in Skyrim verläuft so: Ich sammele auf dem Weg zu einem Räuberlager, falls ich nicht sowieso die Schnellreise benutze, alles Mögliche, töte darin dann alle Gegner, nehme alles mit, was nicht niet- und nagelfest, reise zurück in mein Haus und lagere die Sachen dort, ohne dass sie mir wirklich viel bringen würden. Ich denke zwar "Man kann es ja vielleicht später mal gebrauchen", aber effektiv verstauben die gesammelten Waffen und Trankzutaten meist in einer Truhe meines virtuellen Hauses.



Und da das Stichwort Dragon Age II hier schon mehrfach gefallen ist und das Spiel nach dem Erscheinen sehr viel Kritik über sich ergehen lassen musste, die mitunter wirklich völlig unberechtigt oder an den Haaren herbeigezogen war, möchte ich hier eine Lanze für das Bioware-RPG brechen. In Dragon Age II ist man Bioware-typisch wieder mit einer ganzen Riege interessanter und richtig gut geschriebener Charaktere unterwegs, die sich in den Dialogen oft grandiose Schlagabtausche liefern. In Skyrim sind die Gefährten Söldner oder eine Art Leibeigene, deren Handvoll inhaltsleerer Sätze sich ständig wiederholen

In Dragon Age 2 habe ich rund zwei Stunden Spielzeit über den Haufen geworfen und eine schwere Passage inklusive Bosskämpfen komplett noch einmal gespielt, weil einer gewissen Person etwas zugestoßen ist und ich das auf jeden Fall verhindern wollte, was mir letztendlich auch gelungen ist. Danach war ich richtig erleichtert, dass ich diese gewisse Figur vor einem tragischen Schicksal retten konnte. In Skyrim passiert einem so etwas definitiv nicht.

Ich habe zwar einen der Auto-Speicherstände neu geladen, wenn meine Begleiterin Lydia gestorben war, aber eher weil sie nützlich ist, nicht weil ich mich groß für ihre Persönlichkeit interessiert habe. Und wenn sie gestorben ist, war es oftmals deshalb, weil sie auf den Gegner losstürmen und unbedingt in einen meiner Pfeile rennen musste.

Die Hauptquest war völlig belanglos. Als ich damit fertig war, dachte ich ernsthaft "Wie, das war's jetzt schon?". Ich habe sicherheitshalber nochmal bei Twitter nachgefragt und da wurde mir bestätigt, dass die Hauptgeschichte ein absolutes Debakel ist.

Besonders negativ sind mir bei Skyrim etliche Grafik- und Technikbugs aufgefallen. Mehrfach ist mir das Spiel abgestürzt oder hat sich aufgehangen. Mal konnte ich in der Luft schwimmen, weil das Spiel offensichtlich das Wasser nicht richtig darstellen wollte, mal war mein Bücherregal unsichtbar und die Bücher trotzten der Gravitation, mal blieben Inseln ohne Texturen, Gegner stecken in Türen fest, Wachen beamten sich von einer Seite des Tisches auf die andere oder ich blieb unrettbar hinter einem Schalter stecken und musste notgedrungen den letzten Spielstand laden. So etwas darf in einem Spiel mit einem so verdammt hohen Anspruch einfach nicht passieren.

Das Kampfsystem empfand ich als sehr langweilig. Ich persönlich habe bevorzugt Pfeil und Bogen eingesetzt, um die Gegner bereits aus der Entfernung unschädlich zu machen. Im Nahkampf läuft es meistens auf draufhauen und Buttonmashing hinaus, große strategische Feinheiten braucht es da nicht. Und zur Not rennt man halt weg. Die KI der Gegner ist leider komplett dumm. Ein Gegner wird getroffen, man versteckt sich, wenn man lange genug wartet kommt ein "Muss ich mir wohl eingebildet haben", obwohl er einen Pfeil in seinem Bauch stecken hat. Das geht besser, Bethesda.

Ich empfand es als sehr gut, dass hauptsächlich die Fähigkeiten aufleveln, die man auch tatsächlich benutzt, man muss sich also nicht auf eine Charakterklasse festlegen, um dann später feszustellen, dass man mit dieser gar nicht so gut zurechtkommt, sondern kann einfach das machen, wozu man Lust hat und aus einem Dieb auch mal einen Kampfmagier oder einen Axtkämpfer machen.

Etwas unpassend und fehl am Platz fand ich manches dumme Pseudo-Horrorzeug, dass in Nebenmissionen eingebaut wurde. Ich habe Nix gegen Zombies und ich mag Horrorspiele, aber Skyrim ist kein Horrorspiel. Und warum ich dann Menschen irgendwelchen Göttern opfern, oder sie in eine Falle locken soll, um sie dann zu verspeisen, erschließt sich mir nicht. Das ist keinesfalls das erste mal, dass Themen wie Menschenopfer oder Kannibalismus in einem Spiel behandelt werden, aber so plump blutgeil muss es dann wirklich nicht sein. Und ich möchte mit meiner Figur einfach kein Werwolf, Vampir oder Kannibale sein.

Der Soundtrack ist ok, bietet aber gefühlt nur fünf Stücke. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist die Tatsache, dass viele Videospielseiten Skyrim ernsthaft im Bereich Bereich bester Soundtrack nominiert oder gar ausgezeichnet haben. Das ist wirklich völliger Quatsch. Das Main Theme "Dragonborn" ist gut, das war's dann aber schon und in einem Jahr, in dem Portal 2, Bastion und Xenoblade Chronicles gezeigt haben, wie abwechslungsreich Videospielmusik sein kann, grenzt es an eine Farce, Skyrims mittelmäßigen Soundtrack mit Preisen zu überhäufen.

Zum Abschluss möchte ich hier noch drei Videos einbauen, die den Hype, mit dem viele auf die Ankündigung von Skyrim reagiert haben, gut darstellt. Zeichner Harry Partridge hat sich im Originalvideo auch selbst auf die Schippe genommen und weil das Video bei YouTube so für Furore sorgte, gibt es gleich zwei deutsche Übersetzungen davon:







Fazit: Skyrim ist ein gutes Spiel mit deutlichen Schwächen, sowohl auf der technischen wie auch auf der inhaltlichen Seite. Ich persönlich jedenfalls finde, dass man etwas ehrlicher an Skyrim herangehen und zugeben sollte, dass es eben nicht die große Rollenspielrevolution ist, sondern allenfalls ein gutes RPG, das leider weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Wer Lust auf ein sehr gutes Rollenspiel mit offener Welt hat und auch von ein klein bisschen Japano-Kitsch nicht sofort Diabetes bekommt, der sollte sich Xenoblade Chronicles für die Wii unbedingt anschauen. Es ist das deutlich bessere Spiel, ging vor lauter Skyrim-Gehype aber leider unter und taucht zu meinem Bedauern auch in fast keiner Top-Liste auf, obwohl es für mich persönlich mein Spiel des Jahres 2011 war.

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