TiRos Blog
Montag, 25. Oktober 2010
PoliTick: Ja, die SPD braucht ihre Ortsvereine!
Am 25. Oktober 2010 im Topic 'PoliTick'


Der Vorwärts hat jetzt einen Beitrag auf seiner Internetseite veröffentlicht, in dem Pro und Kontra des "traditionellen SPD-Ortsvereines" diskutiert werden soll.

Ich selbst bin absoluter Befürworter des Ortsvereines und mache auch selbst sehr gerne Ortsvereinsarbeit. Die Arbeit im Ortsverein ist Arbeit bei und an den Menschen. Da lernt man auch eine wichtige Tugend: Zuhören. Um Politik für die Menschen zu machen, muss man ihnen auch richtig zuhören und dann auf ihre Probleme eingehen. Natürlich kann und wird man es nicht jedem rechtmachen, aber mit richtigem Zuhören ist zumindest ein erster wichtiger Schritt getan.

Der Ortsverein ist das, was die meisten Menschen als Erstes von der SPD wahrnehmen. Insofern ist gerade ein aktiver und engagierter Ortsverein ein wichtiges Aushängeschild. Natürlich macht der demografische Wandel mit Mitgliederschwund und Überalterung auch nicht vor der SPD halt, andererseits habe ich in den letzten Jahren die Gründung zweier Juso-AGen im Kreis Saarbrücken-Land betreut: Friedrichsthal und Völklingen-Mitte. Derzeit begleite ich in Holz eine dritte AG-Gründung. In allen drei Orten erlebe ich interessierte und engagierte Jugendliche, die so richtig Bock haben, selbst Etwas zu bewegen. Und oft sind die Themen recht ähnlich: ein Jugendzentrum fehlt und insgesamt wird nix für Jugendliche getan. Mit dieser Prämisse hat sich 2003 auch meine eigene Juso-AG hier in Göttelborn gegründet, da wir Jusos gemeinsam mit der SPD am Ball geblieben sind, haben wir inzwischen ein Jugendzentrum.

Zuvor haben wir im schwarzen Quierschied die Bürgermeisterwahl gewonnen und zwei Jahre später stellt die SPD auch die Ortsvorsteher in Quierschied und Göttelborn und die SPD ist zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg stärkste Fraktion.

Ein großer Teil dieses Erfolges ist den Jusos zu verdanken. Die AG-Gründung hat sehr viel Dynamik in einen eigentlich schon fast eingeschlafenen Ortsverein gebracht. Der Wahlkampf macht Spaß, gerade, wenn er ungewöhnlich ist. Faschingswägen mit viel Liebe zum Detail bauen und dann als Rathausstürmer oder als Ortsrats-enternde Piraten (unabhängig von der Partei, die glaubt, das Internet mit dem goldenen Löffel gefressen zu haben) das Faschingspublikum aufheizen, ist eine Sache. Aus alten Konservendosen mit gelbem und schwarzen Lack Atommüll zu basteln ist eine weitere Facette. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit Kreidespray "SPD wählen!" im ganzen Ort auf die Fußgängerwege zu zaubern, ist ein weiterer Punkt.

Aber auch die Tatsache, dass SPD und Jusos inzwischen auch außerhalb des Wahlkampfes stattfinden. Ob Gauditurnier, Ein Dorf spielt Fußball oder Ortspokalschießen - wir sind dabei. Auch bei der Frühjahrsputzaktion "Saarland Picobello" sammeln wir Müll und säubern jedes Jahr Spielplätze. Zum Saint Patrick's Day wird im März gemeinsam mit einer Irish-Folk-Band ein Konzert veranstaltet und damit auch kulturell etwas geboten. Auch beim Dorffest oder Weihnachtsmarkt sind wir dabei, da gibt's dann zu den Cocktails die beliebten SPD-Knautschis und zum Glünhwein Informationen zum Welt-AIDS-Tag. Politische Inhalte kann man nämlich auch beiläufig vermitteln.

Aktive Mitgliederbetreuung hat inzwischen auch den Ortsverein wieder auf Vordermann gebracht. Regelmäßig wird in einem Mitgliederbrief über vergangene Aktionen informiert und auf kommende Termine hingewiesen. Seitdem ist auf Mitgliederversammlungen und bei Infoständen wieder was los. Wenn die Partei Interesse an den Mitgliedern zeigt, zeigen die auch Interesse an der Partei. Weitere Ideen, um "meinen" Ortsverein weiter zu verbessern, habe ich noch einige, die ich bei der nächsten Mitgliederversammlung vorstellen werde. Eintritte gab es bei uns in den letzten Jahren nur "per Papier", weshalb ich bei Veranstaltungen grundsätzlich immer entsprechende Mitgliedsanträge bei mir habe. Ein Nachteil des Online-Eintritts: Es dauert ewig, bis dieser verarbeitet wird und noch ewiger, bis dann die zuständige Gliederung, sprich: der Ortsverein, die Nachricht über den Zuwachs erhält. Wenn der Mitgliedsantrag jedoch per Post in die Saarbrücker Talstraße geht, dort befindet sich die hiesige "SPD-Zentrale", dann vergeht meistens noch keine Woche und derjenige ist erfasst und kann seine Mitgliedsunterlagen überreicht bekommen.

Als positiv hat sich gerade in der Juso-AG die Möglichkeit erwiesen, auch "Nur-Juso-Mitglied" werden und als solches mitarbeiten zu können. Einige haben sich dann nach ein, zwei Jahren dazu entschieden, auch der SPD beizutreten. Eine weitere interessante Möglichkeit ist die auf ein Jahr beschränkte Probemitgliedschaft in der SPD. Ich konnte zwar selbst noch keine Erfahrungen damit machen, halte die Idee aber für eine gute.

Auch die Mitgliederversammlung, auf der wir die bundesweite Ortsvereinsbefragung bei uns durchgeführt haben, war gut besucht. Tenor: Ja, wir wollen zukünftig weitere Ortsvereinsbefragungen. Nein, wir wollen keine Mitgliederbefragungen. Befragungen über's Internet wurden ebenfalls abgelehnt.

Es ist ein Irrglaube vieler Netz-Affinen, dass schon bald Politik nur noch über das Internet ablaufen wird. Viele Menschen suchen stattdessen eher das direkte Gespräch mit den Parteipolitikern vor Ort. Internetseiten der Ortsvereine gehören dazu und Twitter ist auch nicht verkehrt. Aber wirklich davon auszugehen, dass man mit Twitter großartig Kommunalpolitik machen kann, wenn aus dem entsprechenden Ort gerade mal zwei Menschen bei Twitter angemeldet sind, was hier in Göttelborn der Fall ist, ist völliger Quatsch und ein bisschen realitätsfremd. Das Internet kann die Willensbildung und die Diskussion unterstützen, aber sie kann keine Veranstaltungen vor Ort ersetzen.

Und genau da zeigt die SPD Saar in den letzten Jahren einen guten Ansatz. Im Landtagswahlkampf besuchte Heiko Maas mit der Tour "Ein Abend mit Heiko Maas" ALLE saarländischen Gemeinden und diskutierte mit den Anwesenden in stets restlos gefüllten Sälen. Aktuell tourt der Landtagsabgeordnete Ulrich Commercon mit der Veranstaltung "Macht Bildung" durch das Saarland, auch hier sind die Diskussionen gut und die Säle ordentlich gefüllt. Geplant und organisiert werden diese Veranstaltungen gemeinsam mit den Ortsvereinen, von denen es im Saarland noch sehr viele gibt. Und dank sehr vieler Juso-AG-Gründungen in den letzten Jahren, erst kürzlich hat sich der Stadtverband Dillingen gegründet, wird das Potential auch nicht ausgehen, wenn man es richtig nutzt.

Wichtig dafür ist aber auch, dass junge Menschen ernstgenommen werden, wie oben bereits bei dem Thema Jugendzentrum angesprochen. Dazu gehört auch, dass die SPD jungen Menschen die Chance bietet, sich auch in "hohen" Vorstandsposten oder auf vorderen Listenplätzen zu beweisen. Dadurch wird man dann als Partei auch wieder für jüngere Wähler interessanter, wenn die Gleichaltrige auf den Kandidatenlisten entdecken.

Fazit: Die SPD muss zunächst die Menschen ernst nehmen, die eigenen Mitglieder sowieso und diese auch ordentlich und informativ betreuen, erst dann kann auch Mitgliederwerbung stattfinden. Wahlkampf ist wichtig, gerade auch mit neuen und kreativen Ideen, aber die SPD muss vor allen Dingen auch dann erkennbar stattfinden, wenn kein Wahlkampf herrscht. Und genau das kann eigentlich nur mit Ortsvereinen funktionieren, wenn sich vor Ort Menschen für die SPD engagieren. Deshalb braucht die SPD auch weiterhin ganz, ganz dringend ihre Ortsvereine.

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