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PoliTick: Die SPD und ihre verknöcherten Strukturen
Am 06. November 2013 im Topic 'PoliTick'


Ich verstehe aktuell meine Partei nicht so ganz. Yasmina „Mina“ Banasczuk, die gemeinsam mit Dennis Morhardt das Mitgliederbegehren zur Vorratsdatenspeicherung durchgeführt und dabei sehr viele Schwachstellen der innerparteilichen Willensbildung und Mitbestimmung offengelegt hat, ist frustriert aus der SPD ausgetreten.

Jetzt wird von allen möglichen Seiten nachgetreten, meistens gegen Yasmina persönlich, statt sich inhaltlich mit ihrer durchaus berechtigten Kritik auseinanderzusetzen. Die Strukturen der Partei sind weiterhin sehr klassisch aufgebaut: Ortsverein, Kreisverband, Landesverband, Bundesverband. Vielleicht gibt es hier und da auch mal einen Arbeitskreis, meistens haben diese jedoch nur ein geringes Mitspracherecht und sind oft eher Feigenblatt als tatsächlich ernstzunehmendes Gremium.

Alternative Beteiligungsmöglichkeiten, insbesondere zu programmatischen Themen gibt es eher weniger. Und ohne Parteimitgliedschaft ist schonmal gar Nichts zu machen. Auf der Ortsratsliste soll ein Nichtmitglied antreten? Unmöglich!

Die Partei ist in ihrer Verknöchertheit oft zu stur. „Das war schon immer so!“ – Ein Satz, den ich abgrundtief hasse. Wenn es schon immer scheiße war und keiner es gerafft hat, dann lief offenbar jahrelang etwas schief. Ich bin vor zehn Jahren den Jusos beigetreten, um Dinge zu ändern, die „schon immer so“ waren. Viel zu oft schmort die SPD im eigenen Saft. Dabei würde es der Partei gut tun, wenn sie sich öffnen würde. Wieso wird der Kanzlerkandidat nicht demokratisch von der gesamten Partei gewählt? Hat man solche Angst vor den Mitgliedern, dass man das lieber von drei Männern im Hinterzimmer entscheiden lässt und nachher derjenige antreten muss, der nicht schnell genug „Muss nicht!“ gesagt hat?

Viele Mitglieder standen eher zähneknirschend hinter Peer Steinbrück. Wobei ich persönlich sagen muss, dass mich Peer tatsächlich immer mehr von sich überzeugt hat. Leider war es dann jedoch trotzdem zu spät. Mit einer Vorwahl könnte man sicherstellen, dass die gesamte Partei oder zumindest deren größter Teil hinter dem oder der Spitzenkandidaten/in steht. Dass sie von ihm überzeugt sind und das auch glaubwürdig nach außen vertreten. Darüber hinaus könnte man mit einer solchen Maßnahme auch einen gewissen Medienrummel erzeugen, der deutlich positiver ausfallen dürfte als der im letzten Wahlkampf.

Bei Bürgermeisterkandidaten macht man das so. Da schreibt dann die Presse auch mal von „Mister 100 Prozent“. Wieso nicht auf der Bundesebene? Ist der Aufwand so groß? Das Finanzargument lasse ich nicht gelten. Die Partei verschleudert ohnehin genug Kohle, da muss uns gerade das Wagen mehr innerparteilicher Demokratie auch ein paar Euro wert sein. Wir feiern Jubiläums-Geburtstage von Willy Brandt, weigern uns aber von ihm zu lernen, genau wie wir mehr Frauen, Migranten und junge Menschen in der Bundestagsfraktion zelebrieren, ihnen jedoch keine Chance bieten, sich auch in der Fraktionsspitze einzubringen. Mehr Absurdität und Doppelmoral geht wohl kaum noch.

Klar, diese Beteiligung kann nicht nur digital erfolgen, dafür sind zu viele Mitglieder einfach zu alt und auch nicht Netz-affin genug. Aber man sollte zumindest versuchen, solche Angebote zu etablieren, um junge Menschen erreichen zu können. Bisher waren diese, sofern sie überhaupt existierten, zu versteckt und zu unattraktiv, als dass sie wirklich Jemand hätte nutzen wollen.

Darüber hinaus sollte thematische Mitarbeit unabhängig von der Parteimitgliedschaft sein. Wer der SPD zugeneigt ist und mitarbeiten will, der sollte auch ohne Mitgliedschaft mitarbeiten dürfen. Er interessiert sich ja offenbar für die Partei, für die Sozialdemokratie, das sollte zählen, nicht die Mitgliedsnummer.

Dazu muss man auch Bündnispartner mit ins Boot holen. Gewerkschaften, Falken, Naturfreunde, AWO sind ohnehin regelmäßige Partner der SPD und sollten das auch weiterhin bleiben. Auch den Schulterschluss mit Migranten- und Frauenverbänden sollte man suchen. Und ruhig auch mal mit dem Chaos Computer Club zusammenarbeiten, die haben den digitalen Sachverstand, der zu vielen Parteimitgliedern fehlt. Vielleicht ergeben sich auch ganz andere Konstellationen, die SPD sollte deshalb stets offen und gesprächsbereit sein.

Vielleicht wäre auch eine größere Beteiligung der Ortsvereine sinnvoll. Der Ortsverein als kleinste Ebene ist oft diejenige, die am Nächsten bei den Mitgliedern ist. Dazu müssen jedoch auch die Ortsvereine ihren Beitrag leisten und sich beispielsweise um die Betreuung ihrer Mitglieder bemühen, dann kann man möglicherweise sogar Austritten vorbeugen und vielleicht sogar Neumitglieder hinzugewinnen. Einfach mal den Mitgliedern und den Ortsvereinen mehr zutrauen, sie aber auch mehr fordern und einbinden als bisher.

Das sind nur ein paar schnelle Gedanken, ein paar Anregungen und Ideen. Statt einzelnen Personen irgendwelche Dinge vorzuwerfen, sehe ich das Problem nämlich eher in unseren vielfach zu eingerosteten Strukturen. Und wir sollten gemeinsam an deren Veränderung arbeiten, nicht das Problem bei Einzelnen suchen.

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