TiRos Blog
Freitag, 17. Oktober 2014
Sitze für Meinungslose
Am 17. Oktober 2014 im Topic 'PoliTick'
Die kleinen Parteien haben ihre Ausschusssitze bekommen! Yay! Wenn man lang genug rumnervt, geben die Klügeren halt eben doch nach und lassen die kleinen Geschwister auch mal mitspielen. Tut mir leid, dass ich so arrogant reagiere, aber ich kann dieses Trauerspiel nun mal nicht ernst nehmen.

Wie bereits erwähnt hätte den kleineren Parteien, genauer gesagt, den Freien Wählern erst bei einer Ausschussgröße von 15 Mitgliedern ein Sitz zugestanden, das ist im KSVG durch das D'Hondtsche Auszählungsverfahren recht eindeutig geklärt.

Das Ziel der SPD war es eigentlich, die Ausschüsse von 10 auf 9 zu verkleinern, auch mit dem Hinblick auf die Finanzwirksamkeit. Nach dem Eklat in der letzten Gemeinderatssitzung, als die Freien Wähler auch die Mitarbeiter der Gemeinedeverwaltung mit dem Vorschlag einer geheimen Wahl vor den Kopf stießen, gab es jetzt von SPD und CDU einen Vorschlag zur Güte: Die Ausschüsse sollen 10 Sitze bekommen, 5 davon würden auf die SPD, 4 auf die CDU entfallen und einer für die Freien Wähler beziehungsweise die AfD oder die Linke.

Es wäre allerdings zu einfach gewesen, darüber per Handschlag abzustimmen. Deshalb mussten die Freien Wähler auf eine geheime Wahl bestehen und obwohl sie diese bereits in der Sitzung zuvor gefordert hatten, waren sie dennoch zu unfähig, der Gemeinde zwischenzeitlich eine Kandidatenliste zukommen zu lassen. Die Namen wurden deshalb in der Sitzung bekanntgegeben, die Verwaltungsmitarbeiter mussten in einer Sitzungsunterbrechung erst einmal tippen und drucken. Zusammen mit der Abstimmung nahm das ungefähr eine Stunde in Anspruch.

Das Ergebnis: Exakt das gleiche, das man auch in offenen Abstimmung erzielt hätte, nur mit sehr viel mehr Aufwand um Nichts. Yay-fucking-hay. Diese Aktion war dumm, peinlich und lächerlich. Selbst Kindergartenkinder hätten eingesehen, dass der einfache Weg der bessere gewesen wäre.

Ausschuss für Finanzen und Personal: 5 SPD, 4 CDU, 1 Freie Wähler
Ausschuss für Planung, Bau, Liegenschaften und Energie: 5 SPD, 4 CDU, 1 Linke
Ausschuss für Kultur, Jugend, Soziales, Sport und Tourismus: 5 SPD, 4 CDU, 1 AfD
Ausschuss für Bildung, Umwelt und Verkehr : 5 SPD, 4 CDU, 1 AfD
Werksausschuss: 5 SPD, 4 CDU, 1 Freie Wähler
Rechungsprüfungsausschuss: 5 SPD, 4 CDU, 1 Freie Wähler

Ein weiteres Ergebnis: Offenbar haben wir im Quierschieder Gemeinderat eine sehr dubiose Achse, die sich aus Freien Wählern, Linke und AfD zusammensetzt. Alleine schon die Zusammenarbeit von Linke und der AfD, die sich gerne hinter "Euro-Kritik" versteckt, dann aber doch regelmäßig durch die gleichen rechtsradikalen Sprüche wie die NPD auffällt, lässt mich stutzig werden. Andererseits fällt Linken-Obermacker Oskar Lafontaine aktuell wieder durch fanatischen Antiamerikanismus auf. Vielleicht sind beide Parteien dann doch nicht so weit von einander entfernt.

Und wofür wollten die kleinen Parteien jetzt mit aller Gewalt ihren Ausschusssitz? Damit sie sich dort enthalten können! Bei allen Abstimmungen während der Gemeinderatssitzungen gab es ein ähnliches Bild. Bergschädenendregulierung? Enthaltung Freie Wähler, AfD. Neubaugebiet? Enthaltung Freie Wähler, Linke, AfD. Wirtschaftsplan ÖPNV-Zweckverband? Enthaltung Freie Wähler, AfD.

Was hier abläuft, ist klar. Von allem, was auch nur halbwegs kritisch sein könnte, lässt man die Finger davon. Wenn es gut läuft, kann man nachher immer noch behaupten, man hätte das ja schon immer unterstützt, allerdings hätte es eben noch ein paar Bedenken gegeben. Und falls es bei der Bevölkerung schlecht ankommt, war man schon immer dagegen, wusste ja gleich, dass das großer Bockmist ist, nur haben die böse SPD und die böse CDU in ihrer gnadenlosen Arroganz nicht auf die schier unfassbare Weisheit der kleinen Parteien gehört.

Völlige Meinungslosigkeit als Konzept, um sich dann mit Windfähnchen-PR als Allheilsbringer zu stilisieren, ein paar Verschwörungstheorien tun ebenfalls nicht weh, die kamen ja schon im Wahlkampf so gut an. Ich bin dann mal gespannt, womit sich die Achse der Meinungslosen dann künftig hervortun wird.

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Dienstag, 14. Oktober 2014
Wenn Ausschussfliegen zu Elefantensitzungen werden
Am 14. Oktober 2014 im Topic 'PoliTick'
Eigentlich sollte die Besetzung der Ausschüsse, die innerhalb eines Gemeinderates gebildet werden (müssen), eine recht unproblematische Sache sein, die relativ schnell in der konstituierenden oder zumindest der zweiten Sitzung abgehandelt sein sollte. In Quierschied war das bisher auch der Fall, weil es jahrelang ohnehin nur zwei Fraktionen (SPD und CDU) gab, bei der Kommunalwahl 2009 wurde der Gemeinderat jedoch deutlich bunter, denn auch die Freien Wähler, die FDP und die Linken zogen ein. Die Linke bekam aufgrund ihrer Stimmenanteile einen Sitz in den Ausschüssen, SPD und CDU teilten sich die restlichen 9.

Bei der Kommunalwahl 2014 gehörten dann insbesondere die kleineren Parteien zu den Verlierern, während vor allen Dingen die SPD dazugewinnen konnte. Die Linke hat insbesondere dank der Abspaltung eines Großteils ihrer Mitglieder viele Stimmen verloren. Die FDP hat es nicht mehr geschafft, dafür ist jetzt (leider) ein Vertreter der AfD im Rat. Nur die Freien Wähler konnten ihr Ergebnis halten.

SPD und CDU einigten sich in Gesprächen darauf, dass man die Anzahl der Ausschusssitze reduzieren würde, von 10 auf 9. Entsprechend des Auszählverfahrens nach D'Hondt und den Wahlergebnissen würden davon 5 auf die SPD und 4 auf die CDU entfallen. Die anderen Parteien wären nicht vertreten, denn erst ab 15 Sitzen wäre die nächststärkste Partei, die Freien Wähler, nach dem vom Kommunalen Selbstverwaltungsgesetz (KSVG) des Saarlandes vorgegebenen Auszählverfahren überhaupt berücksichtigt. Erklärtes Ziel der SPD war es jedoch, durch die Reduzierung der Ausschusssitze auch der Gemeinde eine kleine finanzielle Entlastung zu bieten.

Alles wäre relativ einfach, wenn es nicht doch so schwierig wäre. Freie Wähler, AfD und Linke konnten es offenbar nicht akzeptieren, dass sie nicht in den Ausschüssen vertreten sein würden, obwohl sie laut KSVG sehr wohl trotzdem daran teilnehmen können, nur eben nicht mitabstimmen dürfen. Es wurde von den Freien Wählern also eine geheime Abstimmung gefordert, die Sitzung daraufhin kurz unterbrochen, weil auch die Verwaltung auf eine solche Eventualität nicht vorbereitet war, und die Abstimmung dann verschoben, weil noch weitere wichtige Tagesordnungspunkte anstanden, zu denen auch bestimmte Gäste eingeladen waren, die man nicht unnötig warten lassen wollte.

Die „kleinen Parteien“ im Gemeinderat (Freie Wähler, Linke, AfD) haben jetzt in einem Schreiben ihren Vorschlag zur Besetzung der Ausschüsse des Gemeinderates dargelegt. Einer näheren Betrachtung hält dieser Vorschlag jedoch nicht stand.



„Auch die kleinen Parteien können an den Ausschüssen teilnehmen.“ – Das könnten sie, wie bereits geschildert, auch, wenn sie keine Sitze in den Ausschüssen bekommen sollten, denn Paragraph 48, Absatz 3 des KSVG regelt dies recht eindeutig:

„Bleibt eine Fraktion bei der Bildung eines Ausschusses nach Absatz 2 unberücksichtigt, so kann sie aus ihrer Mitte ein Mitglied benennen, das mit beratender Stimme und dem Recht, Anträge zu stellen, an den Ausschusssitzungen teilnimmt. Absatz 2 Satz 4 und 5 gilt entsprechend. Mitglieder des Gemeinderats können an den Ausschusssitzungen ohne Stimmrecht teilnehmen.“

Da das auch den „kleinen Parteien“ bekannt sein dürfte, kann es rein um die Sitzungsteilnahme also nicht gehen, weil ihnen diese ohnehin zustände. Es ist recht deutlich, dass es um das Abstimmungsrecht geht.

Darüber hinaus wird völlig zusammenhanglos die Festlegung von „sieben 11er-Ausschüssen“ (gegenüber sechs 9er-Ausschüssen beziehungsweise sechs 10er-Ausschüssen) gefordert, ohne dass auch nur ein Wort darüber fällt, wie deren inhaltlicher Zuschnitt aussehen soll. Und das obwohl die Festlegung von sechs Ausschüssen im letzten Gemeinderat einstimmig (!) beschlossen wurde. Hier sollen zusätzliche Mandate nur um ihrer selbst Willen geschaffen werden, was ich als Mitglied der SPD-Gemeinderatsfraktion entschieden ablehne.

Die SPD hat sich bewusst für eine Reduzierung der Ausschüsse beziehungsweise der Ausschusssitze eingesetzt, da durch die Sitzungsgelder der Gemeinde auch zusätzliche Kosten entstehen, die so zurückgefahren werden können. Der Vorschlag der „kleinen Parteien“ sieht vor, gegenüber 54 (6 x 9 Sitze) beziehungsweise 60 Mandaten (6 x 10 Sitze) ganze 77 Ausschussmandate (7 x 11) zu erschaffen. Zwischen 17 und 23 Mandate sollen künstlich hinzugefügt werden – eine stolze Summe, insbesondere wenn man sie im Hinblick auf die Finanzwirksamkeit betrachtet. Es wird mit Bürgerinteressen argumentiert, obwohl sehr offensichtlich eben doch die eigenen Eitelkeiten, sprich: das Sitzungsgeld, den Ausschlag geben.

Ständig wird insbesondere von den Freien Wählern mit dem Thema des Sparens argumentiert, wenn es beispielsweise um den absolut notwendigen Neubau eines Kultursaales in Quierschied geht, zusammen mit Linke und AfD wird jetzt aber die Schaffung eines zusätzlichen Ausschusses sowie die Einsetzung 23 zusätzlicher Mandate gefordert – ein Treppenwitz, der vor Doppelmoral nur so trieft, und damit eine denkbar schlechte „Verhandlungsbasis“, welcher die SPD aufgrund der geschilderten Fakten nicht zustimmen kann oder wird.

Dass versucht wird, SPD (und CDU) einzig mit dem Hinweis auf zusätzliche Mandate zu ködern, verdeutlicht auch den ganz schlechten politischen Stil, der hier zutage tritt. Wir Sozialdemokraten hängen im Gegensatz zu den kleinen Parteien nicht an ein paar Ausschusssitzen, deshalb kam von uns der Vorschlag zu deren Reduzierung. Die SPD „muss“ nicht „sechs Personen aus den Ausschüssen streichen“, sie will das sogar, um mit gutem Beispiel voranzugehen und ein Signal an die Bevölkerung zu senden. Offenbar sind die „kleinen Parteien“ jedoch davon überzeugt, dass uns diese wichtiger sind als tatsächlich relevante Themen, mit denen man die Gemeinde voranbringen würde.

Nach nur zwei Gemeinderatssitzungen hab ich schon genug von den Absurditäten der Freien Wähler, die sich die meisten anderen Gemeinderatsmitglieder schon seit 2009 antun müssen. Das habe ich auch auf der letzten Sitzung offen so gesagt, denn ich bin nicht angetreten, um unnötig Zeit mit Nebensächlichkeiten wie der eigentlich harmlosen Ausschussbesetzung zu verbringen, die hier künstlich zu einem Elefanten aufgebauscht wird.

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Mittwoch, 6. November 2013
PoliTick: Die SPD und ihre verknöcherten Strukturen
Am 06. November 2013 im Topic 'PoliTick'


Ich verstehe aktuell meine Partei nicht so ganz. Yasmina „Mina“ Banasczuk, die gemeinsam mit Dennis Morhardt das Mitgliederbegehren zur Vorratsdatenspeicherung durchgeführt und dabei sehr viele Schwachstellen der innerparteilichen Willensbildung und Mitbestimmung offengelegt hat, ist frustriert aus der SPD ausgetreten.

Jetzt wird von allen möglichen Seiten nachgetreten, meistens gegen Yasmina persönlich, statt sich inhaltlich mit ihrer durchaus berechtigten Kritik auseinanderzusetzen. Die Strukturen der Partei sind weiterhin sehr klassisch aufgebaut: Ortsverein, Kreisverband, Landesverband, Bundesverband. Vielleicht gibt es hier und da auch mal einen Arbeitskreis, meistens haben diese jedoch nur ein geringes Mitspracherecht und sind oft eher Feigenblatt als tatsächlich ernstzunehmendes Gremium.

Alternative Beteiligungsmöglichkeiten, insbesondere zu programmatischen Themen gibt es eher weniger. Und ohne Parteimitgliedschaft ist schonmal gar Nichts zu machen. Auf der Ortsratsliste soll ein Nichtmitglied antreten? Unmöglich!

Die Partei ist in ihrer Verknöchertheit oft zu stur. „Das war schon immer so!“ – Ein Satz, den ich abgrundtief hasse. Wenn es schon immer scheiße war und keiner es gerafft hat, dann lief offenbar jahrelang etwas schief. Ich bin vor zehn Jahren den Jusos beigetreten, um Dinge zu ändern, die „schon immer so“ waren. Viel zu oft schmort die SPD im eigenen Saft. Dabei würde es der Partei gut tun, wenn sie sich öffnen würde. Wieso wird der Kanzlerkandidat nicht demokratisch von der gesamten Partei gewählt? Hat man solche Angst vor den Mitgliedern, dass man das lieber von drei Männern im Hinterzimmer entscheiden lässt und nachher derjenige antreten muss, der nicht schnell genug „Muss nicht!“ gesagt hat?

Viele Mitglieder standen eher zähneknirschend hinter Peer Steinbrück. Wobei ich persönlich sagen muss, dass mich Peer tatsächlich immer mehr von sich überzeugt hat. Leider war es dann jedoch trotzdem zu spät. Mit einer Vorwahl könnte man sicherstellen, dass die gesamte Partei oder zumindest deren größter Teil hinter dem oder der Spitzenkandidaten/in steht. Dass sie von ihm überzeugt sind und das auch glaubwürdig nach außen vertreten. Darüber hinaus könnte man mit einer solchen Maßnahme auch einen gewissen Medienrummel erzeugen, der deutlich positiver ausfallen dürfte als der im letzten Wahlkampf.

Bei Bürgermeisterkandidaten macht man das so. Da schreibt dann die Presse auch mal von „Mister 100 Prozent“. Wieso nicht auf der Bundesebene? Ist der Aufwand so groß? Das Finanzargument lasse ich nicht gelten. Die Partei verschleudert ohnehin genug Kohle, da muss uns gerade das Wagen mehr innerparteilicher Demokratie auch ein paar Euro wert sein. Wir feiern Jubiläums-Geburtstage von Willy Brandt, weigern uns aber von ihm zu lernen, genau wie wir mehr Frauen, Migranten und junge Menschen in der Bundestagsfraktion zelebrieren, ihnen jedoch keine Chance bieten, sich auch in der Fraktionsspitze einzubringen. Mehr Absurdität und Doppelmoral geht wohl kaum noch.

Klar, diese Beteiligung kann nicht nur digital erfolgen, dafür sind zu viele Mitglieder einfach zu alt und auch nicht Netz-affin genug. Aber man sollte zumindest versuchen, solche Angebote zu etablieren, um junge Menschen erreichen zu können. Bisher waren diese, sofern sie überhaupt existierten, zu versteckt und zu unattraktiv, als dass sie wirklich Jemand hätte nutzen wollen.

Darüber hinaus sollte thematische Mitarbeit unabhängig von der Parteimitgliedschaft sein. Wer der SPD zugeneigt ist und mitarbeiten will, der sollte auch ohne Mitgliedschaft mitarbeiten dürfen. Er interessiert sich ja offenbar für die Partei, für die Sozialdemokratie, das sollte zählen, nicht die Mitgliedsnummer.

Dazu muss man auch Bündnispartner mit ins Boot holen. Gewerkschaften, Falken, Naturfreunde, AWO sind ohnehin regelmäßige Partner der SPD und sollten das auch weiterhin bleiben. Auch den Schulterschluss mit Migranten- und Frauenverbänden sollte man suchen. Und ruhig auch mal mit dem Chaos Computer Club zusammenarbeiten, die haben den digitalen Sachverstand, der zu vielen Parteimitgliedern fehlt. Vielleicht ergeben sich auch ganz andere Konstellationen, die SPD sollte deshalb stets offen und gesprächsbereit sein.

Vielleicht wäre auch eine größere Beteiligung der Ortsvereine sinnvoll. Der Ortsverein als kleinste Ebene ist oft diejenige, die am Nächsten bei den Mitgliedern ist. Dazu müssen jedoch auch die Ortsvereine ihren Beitrag leisten und sich beispielsweise um die Betreuung ihrer Mitglieder bemühen, dann kann man möglicherweise sogar Austritten vorbeugen und vielleicht sogar Neumitglieder hinzugewinnen. Einfach mal den Mitgliedern und den Ortsvereinen mehr zutrauen, sie aber auch mehr fordern und einbinden als bisher.

Das sind nur ein paar schnelle Gedanken, ein paar Anregungen und Ideen. Statt einzelnen Personen irgendwelche Dinge vorzuwerfen, sehe ich das Problem nämlich eher in unseren vielfach zu eingerosteten Strukturen. Und wir sollten gemeinsam an deren Veränderung arbeiten, nicht das Problem bei Einzelnen suchen.

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Mittwoch, 25. September 2013
PoliTick: Geheuchelte Gleichheit in der SPD - Chancengleichheit leben, nicht nur labern
Am 25. September 2013 im Topic 'PoliTick'


Ich hatte heute ein ganz besonderes Erlebnis. Nachdem ich mir ein Video angesehen hatte, in dem namhafte Bundestagsabgeordnete wie Franz Müntefering, Heidemarie Wieczorek-Zeul oder Wolfgang Thierse, die künftig nicht mehr Teil des Parlamentes sein werden, sich an ihre Arbeit zurückerinnern, durchstöberte ich den YouTube-Kanal der SPD-Bundestagsfraktion.



Dort stieß ich auf ein Video, welches mit "Sexismus wächst durch männerdominierte Machtstrukturen" betitelt ist. Rundherum befinden sich Videos, in denen ausnahmslos alte, weiße Männer zu sehen sind.



Der wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier verkündete Folgendes via Facebook:

"Gemeinsame Fraktionssitzung mit den alten und neuen Abgeordneten. Toll, wie voll unser Fraktionssaal endlich wieder ist. Und unsere Fraktion ist weiblicher, jünger und bunter geworden. Freue mich auf die Zusammenarbeit!"

Die Fraktion ist weiblicher, jünger und bunter geworden. Schade nur, dass sich das nicht auch in der Fraktionsspitze zeigt. Dort stehen mit Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann die gleichen Männer, die diese Posten auch schon vor der Wahl ausübten.

Die neue, deutlich veränderte Fraktion feiert 42 % Frauenanteil, den mit 26 Jahren jüngsten Bundestagsabgeordneten Mahmud Özdemir aus Duisburg sowie den ersten afrikanisch-stämmigen MdB Dr. Karamba Diaby. Diese bunte Vielfalt ist auch ein Grund zu feiern, keine Frage. Nur darf es nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen bleiben.

Wieso steht keine Frau an der Spitze der Fraktion? Die Grünen haben seit Jahren einen quotierten Fraktionsvorsitz. Und wenn es schon nicht für die Spitze reicht, wieso haben wir keine parlamentarische Geschäftsführerin? Natürlich wird es wieder dutzende stellvertretende Fraktionsvorsitzende geben, was ein netter Titel ist, der letztendlich jedoch von eher geringem Belang ist.

Die SPD darf nicht länger eine Partei alter, weißer Männer sein. Wir haben viele engagierte und fähige Frauen in unseren Reihen. Wir waren stolz darauf, einst mit Heide Simonis die erste Ministerpräsidentin zu stellen. Jetzt präsentieren sich CDU und CSU in der Berliner Runde jeweils mit einer Spitzenkandidatin, während alle drei linken Parteien durch einen Mann vertreten werden. Verkehrte Welt.

Künftig müssen Frauen wie Manuela Schwesig, Hannelore Kraft, Malu Dreyer oder beispielsweise die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl eine deutlich stärkere Rolle einnehmen. Nicht nur als stellvertretende Parteivorsitzende, was ebenso nichtssagend ist, wie in der Fraktion oder als Quotenfrauen im Team, meistens zuständig für "Gedöhns" (wobei Christiane Krajewski für den Bereich Wirtschaft eine kleine positive Überraschung war, das möchte ich dann eben doch anmerken).

Die Zeit wäre reif für eine Parteivorsitzende und auch für eine Kanzlerkandidatin. Viele favorisieren in dieser Rolle bereits seit Längerem die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, aber auch die bereits erwähnte Manuela Schwesig sollte aus meiner Sicht nicht übergangen werden, sondern ganz vorne mitmischen.

Die Parteispitze muss sich insgesamt ändern. Insbesondere fähige Fraktionsmitglieder wie der NSU-Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy, der Bonner Umweltpolitiker Ulrich Kelber oder der niedersächsische Netzpolitiker Lars Klingbeil sollten wichtigere Rollen bekommen.

Ich möchte keine überstürzten Rücktritte, aber ich wünsche mir, dass sich die SPD-Spitze, die jetzt bereits zwei Niederlagen bei Bundestagswahlen eingefahren hat, sich der Verantwortung stellt, so wie es die Spitzen bei Grünen und FDP getan haben. Vielleicht wird dann Platz für neue, jüngere, weibliche Gesichter, die möglicherweise auch einen Migrationshintergrund haben und damit die Vielfalt der Partei auch abbilden.

Darüber hinaus brauchen wir mehr innerparteiliche Demokratie. Dass die Ernennung des Kanzlerkandidaten von drei Männern im Hinterzimmer und eben nicht der Partei entschieden wurde, war mehr als lächerlich. Die Basis hat das zähneknirschend akzeptiert, doch die Tatsache, dass sich viele Landesverbände und weitere Gremien derzeit lautstark und öffentlichkeitswirksam (zurecht) gegen die Große Koalition aussprechen, zeigt, dass die Basis gehört werden und mitentscheiden möchte.

Man darf die Parteibasis, die immerhin die Mehrheit der Partei ausmacht, nicht andauernd so vor den Kopf stoßen. Als Kommunalpolitiker weiß ich, wie schwer es ist, die Mitglieder vor Ort zu motivieren, wenn im Berliner Willy-Brandt-Haus mal wieder irgendein Stuss ausgehandelt wurde, der bei Basisbeteiligung so eben nicht zustande gekommen wäre.

Unsere Mitgliederschaft bietet auch eine große Chance. Dort sind so viele verschiedenen Menschen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten engagiert. Junge und Alte, Frauen und Männer, Migranten, Akademiker und Arbeiter, Azubis und Rentner. Als Kommunalpolitiker ist für mich der interessanteste Aspekt der Politik immer der direkte Kontakt mit den Menschen. Für die Parteispitze sollte der direkte Kontakt zu den Mitgliedern allerhöchste Priorität haben. Ich weiß nicht, welche Themen ich in den Ortsrat einbringen muss, wenn ich nicht die BürgerInnen darauf befrage. Die Parteispitze weiß nicht, welche Dinge als gut empfinden werden und welche völlig schief laufen, wenn sie sich kein regelmäßiges Feedback von den Menschen einholt, die vor Ort den Kopf für die Partei hinhalten und dafür nicht nur verbale Schläge einstecken müssen.

Aktuell stecken ich und mein Ortsverein Göttelborn in der Vorbereitung für die Kommunalwahl im nächsten Jahr. Zusammen mit meinem Ortsvereinsvorsitzenden kümmere ich mich derzeit insbesondere um die Aufstellung der Liste für die Orts- und Gemeinderatswahl im nächsten Jahr. Ich habe verschiedene Menschen darauf angesprochen, ob sie sich vorstellen könnten, nächstes Jahr für die SPD zu kandidieren. Die erstaunliche Reaktion: Alle Antworten fielen absolut positiv aus. Manch einer war überrumpelt, aber durchaus geschmeichelt, dass man ihm eine solche Arbeit zutraut. Bisher hat mir noch keiner der Befragten eine Absage erteilt. Im Gegenteil. Nach einer gewissen Bedenkzeit hat sich bisher jeder dazu entschieden, das Ganze gemeinsam mit uns durchzuziehen. Mancher wird vielleicht sogar in die Partei antreten, andere werden als parteilose Kandidaten für uns antreten. Egal ob Parteimitglied oder nicht, zeigt mir diese Reaktion, dass die SPD in der Bevölkerung durchaus einen Grundrückhalt hat.

Diesen hat man in der Vergangenheit leider beschädigt. Ich bin kein Freund der Agenda 2010, ich kann aber die ewige Hartz-IV-Platte, die insbesondere von "Linken" bereits seit Jahren abgenudelt wird, schon lange nicht mehr hören. Die SPD hat aus den Fehlern der Agenda gelernt und hat viele Verbesserungsvorschläge auch als Themen im Bundestagswahlkampf vertreten. Doch leider fehlt die Glaubwürdigkeit, wenn immer noch Minister aus Schröders Basta!-Regierung die Geschicke der Partei lenken. Auch deshalb sollte an der Spitze ein (Generationen-)Wechsel stattfinden.

Fazit: Die SPD hat gutes Personal, mit dem sie auch glaubwürdig soziale Themen vertreten kann. Nur leider versteckt sie dieses meist in unnötigen Stellvertreterpositionen, statt es ganz nach vorne zu bringen. Wenn die Partei sich ernsthaft verändern möchte, muss das insbesondere beim Spitzenpersonal stattfinden. Dann falle ich vielleicht auch nicht mehr aus allen Wolken, wenn bei YouTube Lippenbekenntnisse gegen Sexismus verbreitet werden, man dann aber doch nur Männern eine echte Chance lässt. Oder wenn man MdBs mit Migrationshintergrund feiert, die Spitze dann aber doch nur aus weißen Menschen besteht. Oder man sich über das Engagement junger Mitglieder freut, der Vorstand sich dann aber doch nur aus angegrauten Personen zusammensetzt.

Gleichberechtigung, Integration oder Jugendförderungen sind keine bloßen Floskeln. Wenn man sich solche Themen in das Programm schreibt, dann muss man auch KandidatInnen aufstellen, die diese Themen glaubwürdig vertreten, weil sie sie tagtäglich leben. Dann klappt es vielleicht auch wieder mit den Wahlgewinnen auf Bundesebene.

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Samstag, 21. September 2013
PoliTick: Temperament, Halligalli und Comics - Peer kann Kanzler
Am 21. September 2013 im Topic 'PoliTick'


Weniger als 24 Stunden sind es noch bis zur Bundestagswahl. Ich hoffe, dass die nächste Bundesregierung eine rot-grüne wird, damit sich in Deutschland wirklich etwas bewegt. Gleiche Chancen, Gleichbehandlung, gleiche Löhne gibt es nur mit Rot-Grün.

Ich war anfangs Peer Steinbrück gegenüber eher skeptisch. Als Parteilinker entsprach er nie so ganz dem, was ich mir von der SPD erwarte. Doch im Wahlkampf haben sich sowohl Peer Steinbrück wie auch meine Meinung ihm gegenüber geändert.

Peer Steinbrück hat Ecken und Kanten. Seine manchmal etwas kaltschnäuzige nordische Art gefällt nicht Jedem. Aber Peer Steinbrück kann auf die Leute zugehen. Wenn ihm Fragen gestellt werden, hat er ehrliche Antworten und druckst nicht erst lange rum. Er verweist nicht darauf, dass er sich Dinge erst ansehen müsse, so wie Frau Merkel - obwohl sie als Bundeskanzlerin die Richtlinienkompetenz hätte, Dinge zu ändern.

Deshalb muss in diesem Land ein Regierungswechsel stattfinden. Der gleichen Meinung, nämlich, dass regieren auch anders gehen kann, sind auch viele Prominente, wie etwa Peter Fox oder Benno Fürmann.



Viele rufen zum Wählen auf, darunter beispielsweise Avaaz oder die IG-Metall-Jugend. Denn: "Ganz im Ernst, wir können die soziale Frage doch nicht den Anderen überlassen." Da möchte ich mich anschließen:



"Geh Wählen" Metallmix 2013



Meine Schwester ist 16 und würde gerne wählen, darf das aber leider erst in zwei Jahren. Warum man erst ab 18 wählen darf, das hat sich auch Dschungelkönig und Sänger Joey Heindle gefragt und beim Juso-Bundesvorsitzenden Sascha Vogt nachgehakt. Mit einer rot-grünen Bundesregierung kommen wir dem wahlrecht ab 16 vielleicht einen Schritt näher.



Eine großartige Neuvertonung einer bekannten Szene aus "Das Leben des Brian" hat im Internet für Furore gesorgt. Neulich in der CDU-Zentrale hat man sich nämlich gefragt, was die SPD so Alles hat, worüber man selbst eben nicht verfügt:



Peer Steinbrück hat sich nicht nur im Kanzlerduell und der Wahlarena vielen Fragen gestellt, sondern auch in der Twitter Town Hall:



Ganz besonders überrascht hat mich, dass Peer Steinbrück großen Respekt vor der Kunstform des Comics sowie den Comic-Zeichnern wie etwa Jaques Tardis oder Alan Moore hat. Und wir Alle wollen doch einen Bundeskanzler, der SinCity mag - oder nicht?



Die Schriftstellerin Eva Menasse wirbt für die SPD und nennt Peer Steinbrück "hirnerfrischend" und ist der Meinung, dass nur Demjenigen das Temperament durchgehen kann, der auch eines hat.



Neben Peer Steinbrück kandidiert unter anderem auch die 22-jährige Bela Bach für die SPD und den Bundestag. RTL II hat die junge Kandidatin getroffen und mit ihr gesprochen. Bela Bach sei hier stellvertretend für viele großartige KandidatInnen genannt. Flo Simbeck, Eva Högl, Michaela Engelmeier-Heite, Sebastian Edathy, Dr. Karamba Diaby, Hannes Munzinger, Ulrich Kelber, Gabriele Hiller-Ohm, Kerstin Griese. So viele engagierte Menschen, die völlig unterschiedlich sind und dennoch ein gemeinsames Ziel haben und sich dafür den Arsch aufreißen. Ich habe ganz großen Respekt vor euch und wünsche euch ganz viel Erfolg.

Es ist fast schade, dass ich "nur" David Lindemann mit meiner Erststimme unterstützen kann, wo doch auch im Saarland mit Elke Ferner, Reinhold Jost und Christian Petry so viele gute KandatInnen für die SPD antreten. Auch euch, David als "meinem" Kandidaten natürlich ganz besonders, viel Erfolg.

Zum Abschluss sei noch einmal auf Peer Steinbrücks grandiosen Auftritt bei Circus Halligalli hingewiesen. Peer kann Kanzler und hoffentlich wird er das auch bald unter Beweis stellen können.

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Mittwoch, 7. Dezember 2011
PoliTick: Die SPD und die Vorratsdatenspeicherung
Am 07. Dezember 2011 im Topic 'PoliTick'


Die SPD hat sich auf ihrem Bundesparteitag für die Vorratsdatenspeicherung entschieden. Die Abstimmung war zwar knapp, dann aber doch eindeutig. Das ist bedauerlich, weil es eine vertane Chance darstellt.

Vor der Abstimmung gab es eine gute Debatte mit vielen gelungenen, aber auch unsäglichen Redebeiträgen. Besonders hervorgetan hat sich aus meiner Sicht der Bonner Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber, der die VDS mit Ausweiskontrollen in Fußgängerzonen und dem Abfotografieren aller Autokennzeichen verglich. Von den Befürwortern kamen abgenutzte Totschlagskeulen wie Kinderpornos, Nazis und Terrorismus, die man offensichtlich nur im Internet und nirgendwo sonst bekämpfen kann. Aber immerhin sind diese Argumente noch einigermaßen stichhaltig. Dass der Staat die Daten haben darf, weil die Leute sie Google und Facebook sowieso geben, ist Quatsch. Und dass der deutsche Staat die Daten haben muss, weil die CIA sie sowieso hat, grenzt an Verschwörungstheorien. Ich habe fast eine Erwähnung der Illuminati vermisst.

Es ist wahr, Facebook und Google sammeln Daten und verkaufen diese teilweise auch. Aber zu einem gewissen Grad entscheidet der Nutzer hier selbst, welche Informationen er in (s)ein Profil einstellt und mit anderen teilt. Der Nutzer hat also einen gewissen Mindest-Einfluss darauf, welche Daten bei Google und Facebook landen. Bei der VDS gilt das nicht. Niemand weiß, welche Daten bundesdeutsche Behörden schon jetzt abrufen, speichern und auswerten. Dass Regierungsbeamte private Chat-Konversationen mitlesen oder mittels Handyortung Bewegungsprofile von Menschen erstellen könnten und das vielleicht bereits schon tun, stellt für viele zurecht eine beängstigende Vorstellung dar. Big Brother is watching you, 1984 scheint näher als man denkt.

Die Vorratsdatenspeicherung stellt alle unter Generalverdacht. Auch wenn Thomas Oppermann dies bestreitet, ist es einfach ein Fakt. Warum möchte der Staat alle Daten haben? Weil theoretisch jeder ein Verbrecher sein könnte, zumindest wenn man das Hauptargument der VDS-Befürworter ein wenig weiterdenkt. Wenn ein Staat seinen Bürgern bzw. Einwohnern mit einem solchen Grundmisstrauen entgegentritt, ist es nur verständlich, dass auch die Bürger dem Staat gegenüber argwöhnisch werden. Aber ob das der Hauptgrund für diese Datensammelwut, diese regelrechte Geilheit, alles erfassen und kontrollieren zu wollen, ist durchaus zu hinterfragen.

Schon jetzt zeigt sich, dass skrupellose Beamte mit Bayern- und Bundestrojanern sich die Möglichkeit offenhalten, sogar Mikrofone und Kameras von Computern anzuzapfen, was die Totalüberwachung einer Wohnung bedeuten würde. George Orwell drängt sich da schon wieder auf.

So sehr ich mich über die Entscheidung auch geärgert habe, ist sie letztendlich doch nur ein Stolperstein auf einem langen Weg. Neun Anträge gegen die VDS, nur einer dafür. Eine gute Debatte, bei der die VDS-Gegner klar die Mehrheit und vor allen Dingen die besseren Argumente hatten. Die Abstimmung über den Antrag war so knapp, dass sie wiederholt werden müsste, weil beim ersten Mal nicht genau zu erkennen war, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Wenn die Entscheidung auch ein Rückschlag war, hat sie doch gezeigt, dass Netzpolitik und die Netzpolitiker als solche in der SPD immer mehr an Einfluss gewinnen. Der Parteitagsbeschluss steht jetzt erst einmal, ist aber definitiv nicht in Granit gemeißelt. Schon auf dem nächsten Bundesparteitag kann der Beschluss kippen.

Die Netzpolitiker innerhalb der SPD sind natürlich enttäuscht, nehmen den Parteitag aber auch als Ansporn. Offensichtlich besteht noch viel Aufklärungsarbeit, weil mit Sicherheit einige nicht genau verstanden hat, welche Implikationen die VDS alle mit sich führt.

Die Piraten lachen sich einen, verstehen aber nicht, dass die SPD eben nicht die Partei der "digital natives" ist. Obwohl das Internet keineswegs neu ist, ist es für viele ältere Parteimitglieder immer noch ein neues und fremdes Medium, dem sie skeptisch gegenüber stehen. Und wenn dann das Schlagwort vom "rechtsfreien Raum" fällt, dann fühlen sie sich gleich angesprochen. Hier muss Netzpolitik ansetzen und deutlich machen, dass das Internet schon jetzt kein rechtsfreier Raum ist. Bei Twitter macht derzeit ein Tweet die Runde, dass man erst versuchen solle, sich ein deutsches Musikvideo bei YoTube anzuschauen, bevor man über den rechtsfreien Raum debattiert. Das ist absolut zutreffend, denn schon jetzt lässt die GEMA ständig Videos sperren, selbst wenn nur Sekundenschnipsel eines Songs darin enthalten sind. In einem rechtsfreien Internet wären die Videos frei verfügbar.

Ich habe mich über die Entscheidung geärgert, stehe jedoch dem Shitstorm der aus dem Piratenlager kommt, fassungslos gegenüber. Die einen wollen die SPD verbieten, andere gleich alle SPD-Mitglieder erschießen. Ich persönlich frage mich da ja, ob bei manchem Piraten die frühere NPD-Mitgliedschaft wirklich nur eine "Jugendsünde" war, mal abgesehen davon, dass es lächerlich ist, wenn 20-Jährige von Jugendsünden sprechen, wenn diese kaum zwei Jahre zurückliegen. Die Geschichte der SPD ist entweder nicht bekannt oder wird ignoriert, der Name Otto Wels ist den meisten vermutlich ein Fremdwort. Und die latente Aggressivität, wenn nicht sogar offene Gewaltbereitschaft, sollte den Piraten auf jeden Fall zu denken geben. Politische Diskussionen in einem solchen Ton zu führen, hilft nicht, wenn man tatsächlich ernst genommen werden will.

Noch mehr als diese dummen Gewaltaufrufe nerven mich jedoch Posts von SPD-Mitgliedern. Wenn da ein knapper Parteitagsbeschluss ausreicht, dass man die gesamte Partei mit Häme überschüttet und besser jetzt als gleich aus ihr austreten will, frage ich mich, was man überhaupt je in dieser Partei wollte. Schnelle Allheilmittel bietet keine Partei und ändern kann sich eine Partei nur von innen. Oft müssen dicke Bretter gebohrt werden, bevor eine Position angenommen wird. Bei der Vorratsdatenspeicherung trifft genau das zu.

Wenn man die Flinte so schnell ins Korn wirft, obwohl nur eine Schlacht, aber eben nicht der Krieg verloren wurde, um das Phrasenschwein mal ordentlich zu füttern, dann hält sich die eigene Motivation aber in sehr eingeschränkten Grenzen. Der Parteitagsbeschluss ist eine Momentaufnahme. Die Mehrheit der SPD ist offensichtlich noch für die Vorratsdatenspeicherung. Ich bin mir aber sicher, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Die Netzpolitiker müssen jetzt am Ball bleiben und mit Argumenten überzeugen. Ich persönlich habe mir jedenfalls genau das zur Aufgabe gemacht.

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Montag, 6. Dezember 2010
PoliTick: Blog-Posts ab 12 und ab 16
Am 06. Dezember 2010 im Topic 'PoliTick'


Tja, der Jemeschtefff bzw. JMStV bzw. Jugendmedienschutzstaatsvertrag (gutes Wort für ne Partie Galgenmännchen) soll geändert werden und die Diskussion um dieses Wortungetüm bzw. dessen Inhalt, sorgt in der Twitteria und der Blogosphäre für riesige Wellen.

Man weiß gar nicht mehr, ob man kennzeichnen soll/muss/darf/kann/möchte. Und was "entwicklungsbeeinträchtigenden Angebote" ist auch wunderbar schwammig gelassen, was findigen Abmahnanwälten (die man gesetzlich verbieten sollte) neue Munition gibt, um nichtsahnende Internetnutzer finanziell auszuquetschen.

Ich nehme es jetzt erstmal mit Humor und habe zwei "Schilder" zur möglichen Kennzeichnung von Blog-Beiträgen entworfen. Das Ergebnis seht ihr hier:



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Montag, 25. Oktober 2010
PoliTick: Ja, die SPD braucht ihre Ortsvereine!
Am 25. Oktober 2010 im Topic 'PoliTick'


Der Vorwärts hat jetzt einen Beitrag auf seiner Internetseite veröffentlicht, in dem Pro und Kontra des "traditionellen SPD-Ortsvereines" diskutiert werden soll.

Ich selbst bin absoluter Befürworter des Ortsvereines und mache auch selbst sehr gerne Ortsvereinsarbeit. Die Arbeit im Ortsverein ist Arbeit bei und an den Menschen. Da lernt man auch eine wichtige Tugend: Zuhören. Um Politik für die Menschen zu machen, muss man ihnen auch richtig zuhören und dann auf ihre Probleme eingehen. Natürlich kann und wird man es nicht jedem rechtmachen, aber mit richtigem Zuhören ist zumindest ein erster wichtiger Schritt getan.

Der Ortsverein ist das, was die meisten Menschen als Erstes von der SPD wahrnehmen. Insofern ist gerade ein aktiver und engagierter Ortsverein ein wichtiges Aushängeschild. Natürlich macht der demografische Wandel mit Mitgliederschwund und Überalterung auch nicht vor der SPD halt, andererseits habe ich in den letzten Jahren die Gründung zweier Juso-AGen im Kreis Saarbrücken-Land betreut: Friedrichsthal und Völklingen-Mitte. Derzeit begleite ich in Holz eine dritte AG-Gründung. In allen drei Orten erlebe ich interessierte und engagierte Jugendliche, die so richtig Bock haben, selbst Etwas zu bewegen. Und oft sind die Themen recht ähnlich: ein Jugendzentrum fehlt und insgesamt wird nix für Jugendliche getan. Mit dieser Prämisse hat sich 2003 auch meine eigene Juso-AG hier in Göttelborn gegründet, da wir Jusos gemeinsam mit der SPD am Ball geblieben sind, haben wir inzwischen ein Jugendzentrum.

Zuvor haben wir im schwarzen Quierschied die Bürgermeisterwahl gewonnen und zwei Jahre später stellt die SPD auch die Ortsvorsteher in Quierschied und Göttelborn und die SPD ist zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg stärkste Fraktion.

Ein großer Teil dieses Erfolges ist den Jusos zu verdanken. Die AG-Gründung hat sehr viel Dynamik in einen eigentlich schon fast eingeschlafenen Ortsverein gebracht. Der Wahlkampf macht Spaß, gerade, wenn er ungewöhnlich ist. Faschingswägen mit viel Liebe zum Detail bauen und dann als Rathausstürmer oder als Ortsrats-enternde Piraten (unabhängig von der Partei, die glaubt, das Internet mit dem goldenen Löffel gefressen zu haben) das Faschingspublikum aufheizen, ist eine Sache. Aus alten Konservendosen mit gelbem und schwarzen Lack Atommüll zu basteln ist eine weitere Facette. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit Kreidespray "SPD wählen!" im ganzen Ort auf die Fußgängerwege zu zaubern, ist ein weiterer Punkt.

Aber auch die Tatsache, dass SPD und Jusos inzwischen auch außerhalb des Wahlkampfes stattfinden. Ob Gauditurnier, Ein Dorf spielt Fußball oder Ortspokalschießen - wir sind dabei. Auch bei der Frühjahrsputzaktion "Saarland Picobello" sammeln wir Müll und säubern jedes Jahr Spielplätze. Zum Saint Patrick's Day wird im März gemeinsam mit einer Irish-Folk-Band ein Konzert veranstaltet und damit auch kulturell etwas geboten. Auch beim Dorffest oder Weihnachtsmarkt sind wir dabei, da gibt's dann zu den Cocktails die beliebten SPD-Knautschis und zum Glünhwein Informationen zum Welt-AIDS-Tag. Politische Inhalte kann man nämlich auch beiläufig vermitteln.

Aktive Mitgliederbetreuung hat inzwischen auch den Ortsverein wieder auf Vordermann gebracht. Regelmäßig wird in einem Mitgliederbrief über vergangene Aktionen informiert und auf kommende Termine hingewiesen. Seitdem ist auf Mitgliederversammlungen und bei Infoständen wieder was los. Wenn die Partei Interesse an den Mitgliedern zeigt, zeigen die auch Interesse an der Partei. Weitere Ideen, um "meinen" Ortsverein weiter zu verbessern, habe ich noch einige, die ich bei der nächsten Mitgliederversammlung vorstellen werde. Eintritte gab es bei uns in den letzten Jahren nur "per Papier", weshalb ich bei Veranstaltungen grundsätzlich immer entsprechende Mitgliedsanträge bei mir habe. Ein Nachteil des Online-Eintritts: Es dauert ewig, bis dieser verarbeitet wird und noch ewiger, bis dann die zuständige Gliederung, sprich: der Ortsverein, die Nachricht über den Zuwachs erhält. Wenn der Mitgliedsantrag jedoch per Post in die Saarbrücker Talstraße geht, dort befindet sich die hiesige "SPD-Zentrale", dann vergeht meistens noch keine Woche und derjenige ist erfasst und kann seine Mitgliedsunterlagen überreicht bekommen.

Als positiv hat sich gerade in der Juso-AG die Möglichkeit erwiesen, auch "Nur-Juso-Mitglied" werden und als solches mitarbeiten zu können. Einige haben sich dann nach ein, zwei Jahren dazu entschieden, auch der SPD beizutreten. Eine weitere interessante Möglichkeit ist die auf ein Jahr beschränkte Probemitgliedschaft in der SPD. Ich konnte zwar selbst noch keine Erfahrungen damit machen, halte die Idee aber für eine gute.

Auch die Mitgliederversammlung, auf der wir die bundesweite Ortsvereinsbefragung bei uns durchgeführt haben, war gut besucht. Tenor: Ja, wir wollen zukünftig weitere Ortsvereinsbefragungen. Nein, wir wollen keine Mitgliederbefragungen. Befragungen über's Internet wurden ebenfalls abgelehnt.

Es ist ein Irrglaube vieler Netz-Affinen, dass schon bald Politik nur noch über das Internet ablaufen wird. Viele Menschen suchen stattdessen eher das direkte Gespräch mit den Parteipolitikern vor Ort. Internetseiten der Ortsvereine gehören dazu und Twitter ist auch nicht verkehrt. Aber wirklich davon auszugehen, dass man mit Twitter großartig Kommunalpolitik machen kann, wenn aus dem entsprechenden Ort gerade mal zwei Menschen bei Twitter angemeldet sind, was hier in Göttelborn der Fall ist, ist völliger Quatsch und ein bisschen realitätsfremd. Das Internet kann die Willensbildung und die Diskussion unterstützen, aber sie kann keine Veranstaltungen vor Ort ersetzen.

Und genau da zeigt die SPD Saar in den letzten Jahren einen guten Ansatz. Im Landtagswahlkampf besuchte Heiko Maas mit der Tour "Ein Abend mit Heiko Maas" ALLE saarländischen Gemeinden und diskutierte mit den Anwesenden in stets restlos gefüllten Sälen. Aktuell tourt der Landtagsabgeordnete Ulrich Commercon mit der Veranstaltung "Macht Bildung" durch das Saarland, auch hier sind die Diskussionen gut und die Säle ordentlich gefüllt. Geplant und organisiert werden diese Veranstaltungen gemeinsam mit den Ortsvereinen, von denen es im Saarland noch sehr viele gibt. Und dank sehr vieler Juso-AG-Gründungen in den letzten Jahren, erst kürzlich hat sich der Stadtverband Dillingen gegründet, wird das Potential auch nicht ausgehen, wenn man es richtig nutzt.

Wichtig dafür ist aber auch, dass junge Menschen ernstgenommen werden, wie oben bereits bei dem Thema Jugendzentrum angesprochen. Dazu gehört auch, dass die SPD jungen Menschen die Chance bietet, sich auch in "hohen" Vorstandsposten oder auf vorderen Listenplätzen zu beweisen. Dadurch wird man dann als Partei auch wieder für jüngere Wähler interessanter, wenn die Gleichaltrige auf den Kandidatenlisten entdecken.

Fazit: Die SPD muss zunächst die Menschen ernst nehmen, die eigenen Mitglieder sowieso und diese auch ordentlich und informativ betreuen, erst dann kann auch Mitgliederwerbung stattfinden. Wahlkampf ist wichtig, gerade auch mit neuen und kreativen Ideen, aber die SPD muss vor allen Dingen auch dann erkennbar stattfinden, wenn kein Wahlkampf herrscht. Und genau das kann eigentlich nur mit Ortsvereinen funktionieren, wenn sich vor Ort Menschen für die SPD engagieren. Deshalb braucht die SPD auch weiterhin ganz, ganz dringend ihre Ortsvereine.

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Dienstag, 24. August 2010
PoliTick: Das ist Twitter, liebe SZ.
Am 24. August 2010 im Topic 'PoliTick'


Die Saarbrücker Zeitung hat mit ihrem heutigen Artikel über "Twitter" den Vogel, um genauer zu sein, den Twitter-Vogel abgeschossen. Statt ernst zu nehmendem Journalismus, gründlicher Recherche und kritischer Analyse besteht der entsprechende Artikel nur aus polemischer Meinungs- und Stimmungsmache. Der Tenor: Twitter umfasst nur Belangloses und/oder verbale Knüppeleien verfeindeter Politiker. Das ist nicht nur verkürzt, das ist schlichtweg dumm und vor allen Dingen: gelogen. Von einer seriösen Regionalzeitung erwarte ich mehr als aus dem Zusammenhang gerissene Zitat im Verbund mit offensichtlichen Lügen, aber ob "seriös" ein Adjektiv ist, dass jemals zur Saarbrücker Zeitung gepasst hat, sei dahingestellt.

Das, was ich als zwitschernder Kommunalpolitiker tagtäglich bei Twitter erlebe, ist eine ganz andere Welt. Natürlich gibt es bei Twitter viel Belangloses. Gerade vor ein paar Tagen erst konnte alle Welt davon erfahren, dass ich im SNES-Spiel "Final Fantasy VI" kurz vor dem finalen Kampf gegen den dortigen Endgegner "Kefka" stand. Manch einen mag das genervt haben, manch einer wird es ignoriert haben, von anderen kamen sogar unterstützende Antworten, die mir viel Glück bei diesem finalen "Kampf" gewünscht haben. Das ist Twitter.

Aber ich berichte bei Twitter auch viel über meine politischen Aktivitäten. Da wird die Ortsratssitzung zusammengefasst und bewertet oder per SMS live von der Juso-Landeskonferenz berichtet oder zu kommenden Veranstaltungen eingeladen. Und auch der eine oder andere Kommentar über die eigenen GenossInnen wird auf 140 Zeichen gebracht. Ich bin zwar in der SPD, muss aber noch lange nicht jede Meinung jedes Parteimitgliedes teilen. Und manche Hinterbänkler würden als Parlamentsneulinge wirklich mal besser die Klappe halten, statt sich selbst zu inszenieren. Auch das ist Twitter.

Ich habe bei Twitter auch schon interessante Diskussionen mit Mitgliedern anderer Parteien geführt. Ob SPD (Ulrich Commercon, Jörg Aumann, Christian Petry), CDU (Armin König, Roman Baltes, Alwin Theobald), FDP (Patrick Saar), Grüne (Elisa Schütze) oder Linke (Nils Exner) - das Spektrum der saarländischen Polit-Twitterer ist ebenso bunt wie das der Parteienlandschaft an sich. Vom Quierschieder Gemeinderatsmitglied über den Illinger Bürgermeister und dessen Beigeordneten zum Saarbrücker Landtagsabgeordneten finden sich bei Twitter sehr viele Inhaber politischer und öffentlicher Mandate. Und gerade bei kommunalpolitischen Themen zeigt sich auch hin und wieder, dass die Differenzen zwischen Parteien und Politikern gar nicht so groß sind, wenn tatsächlich das Wohl des Ortes und seiner Einwohner im Fokus stehen. Man verliert auch eventuelle Berührungsängste gegenüber Menschen, die politisch anders "ticken" als man selbst, wenn man solche Gemeinsamkeiten entdeckt. Zumindest geht das mir so, wenn ich mal wieder mit einem CDU- und einem Linken-Mitglied gleichzeitig einer Meinung bin. Und natürlich gibt es auch politische Differenzen und manchmal wird auch mit etwas härteren Bandagen gekämpft, sonst wären wir ja alle in einer Partei. Und auch das ist Twitter.

Es ist schade, dass die Saarbrücker Zeitung diese positiven Aspekte von Twitter ausblendet, verschweigt und somit das echte Bild bewusst verfälscht. Die Saarbrücker Zeitung bringt sich selbst auch um die Möglichkeit, Twitter aktiv als Informations- und Kommunikationsmedium zu nutzen. Da sind die Kollegen von newsecho.de schon den entscheidenden Schritt weiter und zeigen, wie ein vernetzter Nachrichtendienst der Zukunft aussehen kann. Das ist Twitter.

Twitter ist eine interessante Mischungs aus Informationsquelle, Kommunikationsplattform, Diskussionsforum, Debattierclub, Selbsthilfegruppe, Comedybühne und vielen weiteren Dingen. Das alles ist Twitter. Jedoch ist Twitter eindeutig nicht, was die SZ daraus zu machen versucht.

Zwei gute und unbedingt lesenswerte Kommentare zum SZ-Artikel haben der twitternde Illinger Bürgermeister Armin König und die twitternde Eppelborner Unternehmerin Andrea Juchem verfasst. Auch dort wird gezeigt, was Twitter ist - und was eben nicht.

EDIT: Inzwischen haben auch der 1. Beigeordnete der Gemeinde Illingen, Christian Petry, und Blogger Jürgen Botschner ihre Kommentare zum SZ-Artikel abgeben. Beide sehr lesenswert.

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Mittwoch, 18. August 2010
PoliTick: Ein paar Gedanken zur Rente mit 67
Am 18. August 2010 im Topic 'PoliTick'


Ich wollte mich ja eigentlich gar nicht zu dem Thema äußern, muss jetzt aber doch meinen Senf dazugeben. Es geht um die Rente mit 67. Im Gegensatz zu vielen meiner GenossInnen befürworte ich die Rente mit 67. Warum? Die Menschen werden dank aller medizinischen und auch ernährungstechnischen Fortschritte immer älter und bleiben auch immer länger gesund. Auf lange Sicht muss, meiner Meinung nach, deshalb eine allmähliche Anhöhung des Renteneintrittsalters erfolgen.

Darüber hinaus verschiebt sich der berufliche Werdegang immer weiter nach hinten. Haben viele früher schon mit 16 (teilweise sogar schon mit 15) ihre Lehre angefangen, so beginnen heute viele eine Ausbildung erst mit 18 oder eben noch später. Mein Bruder ist 20 und fängt jetzt erst eine Ausbildung an, da er nach der Realschule lieber weiter die Schulbank gedrückt hat und zur FOS für Technik gegangen ist. Ein guter Freund von mir hat seine Ausbildung, ebenfalls nach Realschule und FOS, erst mit 21 begonnen. Auch dieser Entwicklung muss begegnet werden.

Natürlich kann dies nicht pauschal erfolgen. Körperlich fordernde Berufe, in denen mit ganzem Kraftaufwand "malocht" wird, müssen eine Ausnahme sein. Als Sohn eines Betonbauers und Spross einer Bergmannsfamilie weiß ich, dass Menschen in diesen Berufen einfach nicht bis 67 arbeiten können. In anderen Berufen kann ich mir das jedoch durchaus vorstellen.

Allerdings muss sich dazu auch etwas in der Gesellschaft ändern. Jemand kann z.B. auch mit 67 noch in einem Bauunternehmen arbeiten, wenn er nicht an der "vordersten Front" eingesetzt wird und sich Knochen und Gelenke zerschinden muss, sondern, wenn er seine Erfahrung in der Planung von Bauvorhaben oder in der Ausbildung junger Menschen einbringen kann. Ich persönlich habe großen Respekt vor der Lebens- und Berufserfahrung älterer Menschen. Und ich bin überzeugt davon, dass viele Unternehmen und die Arbeitswelt allgemein sehr viel von dieser Erfahrung profitieren könnte.

Ich bin auch dafür, die Diskussion fairer zu führen. Wenn der DGB Saar Postkarten verteilt, auf denen ein Rollstuhlfahrer zu sehen ist mit dem Spurch "Opa fährt zur Arbeit", dann ist das zwar bewusst provokant, entspricht jedoch nicht unbedingt dem, was wirklich geschehen wird bzw. soll. Auch die Gewerkschaften müssen sich den oben genannten soziologischen Veränderungen der heutigen Lebenswirklichkeiten stellen - derzeit werden diese noch sehr gerne ausgeblendet. Ich bin ein absolut überzeugter Unterstützer der (DGB-)Gewerkschaften, aber bei diesem Punkt bin ich einer entschieden anderen Meinung.

Im Übrigen stelle ich bei der Diskussion um die Rente mit 67 auch immer wieder einen Generationenkonflikt fest. Während gerade Menschen zwischen 40 und 50, die von der Gesetzgebung überhaupt nicht und wenn, dann nur in einem geringen Maße betroffen sind, sich auf das Massivste aufregen, teilweise auch recht künstlich, stehen viele junge Menschen in meinem Alter dem Thema recht geschlossen gegenüber - obwohl sie ja am Ehesten davon betroffen sind.

Bevor jedoch das gesetzliche Renteneintrittsalter angehoben wird, muss erst ein Mal das de-facto-Renteneintrittsalter erhöht werden, das derzeit bei 62 liegt. Ansonsten ist die Rente mit 67 nämlich wirklich das, was ihr oft genug vorgeworfen wird, eine Rentenkürzung durch die Hintertür. Und das lehne ich natürlich ab.

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