TiRos Blog
NeoRetro: Final Fantasy VI
Am 20. August 2010 im Topic 'NeoRetro'


Titel: Final Fantasy VI
Konsole: Super Nintendo Entertainment System (SNES)
Entwickler: Square
Publisher: Square
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Rollenspiel

Final Fantasy - das Spiel mit dem der damals fast bankrotte Videospielentwickler Square erhobenen Hauptes grandios untergehen wollte, woraufhin jedoch alles völlig anders kam als erwartet. Vor Kurzem ist für XBox 360 und die PlayStation 3 der inzwischen 13. Teil des Überraschungserfolges des Jahres 1987 erschienen - wieder Mal zeigt sich, dass die "Fantasy" alles andere als "final" war und ist.

Hier möchte ich jetzt etwas über den brillianten sechsten Teil einer der bekanntesten Spielereihen schreiben. Nur: Wo fange ich an?



Vielleicht bei den spielbaren (Haupt-)Figuren, deren Zahl sich im Laufe des Spieles auf stolze 14 ausdehnt: die Halb-Esperin Terra Branford, der Schatzjäger Locke Cole, die genetisch manipulierte Generalin Celes Chere, der technisch versierte König des Reiches Figaro, Edgar Roni Figaro, sein muskelbepackter Bruder Sabin Rene Figaro, der edle Ritter Cyan Garamonde, der in der Wildnis aufgewachsene Junge Gau, der notorische Spieler Setzer Gabbiani, der mysteriöse Ninja Shadow, der Zauberer Strago Magus, seine Enkelin, die junge und überaus talentierte Malerin Relm Arrowny, der Moogle/Moglie Mog, der Yeti Umaro und der/die (?) verschleierte "Mimic" Gogo. Mit Ausnahme der drei letzt genannten widmet das Spiel jeder Figur genügend Zeit, in der seine/ihre (Vor-)Geschichte erzählt wird. Und diese bringen einem die Figuren emotional wirklich näher. Ich konnte anfangs z.B. mit dem Zocker Setzer (der einen tollen sprechenden Namen trägt) nichts anfagen, bis dann seine Geschichte erzählt wurde. Ab da hatte ich auch ihn in mein Spielerherz geschlossen.

Doch diese Figuren bringen einem nicht nur einen Kloß in den Hals und Tränen in die Augen, sondern auch immer individuelle Fähigkeiten mit. Terra kann sich in ihre Esper-Form verwandeln, Locke kann Gegnern Items stehlen, Edgar kann Werkzeuge benutzen, Sabin kämpft mit Wrestling-Moves, Celes kann sich mit ihrer Runenklinge selbst heilen, Cyan ist ein Meister des Schwertkampfes, Gau kann die Attacken verschiedener Gegner lernen und im Kampf anwenden, Shadow kann mit Shuriken nach Gegnern werfen und wird von seinem Hund Interceptor im Kampf unterstützt, Setzer kann entweder mittels eines Spielautomaten Gegner angreifen oder diese mit Münzen bewerfen, Strago kann verschiedene "Lores"/Zaubersprüche lernen und benutzen, Relm kann Gegner malen oder sogar kontrollieren, Mog tanzt seine Gegner wortwörtlich zu Tode, Umaro kann zwar nicht vom Spieler gesteuert werden, ist aber als haariges Kraftpaket ein sehr guter Kämpfer, und Gogo kann mittels des "Mimic"-Befehls alle Spezialattacken der anderen Figuren wiederholen.

Der Spieler hat also die Qual der Wahl bei der Zusammenstellung seiner "Party", sollte jedoch darauf achten, bestenfalls keine der Figuren im Level zu stark zurückfallen zu lassen, da man an mehreren Stellen mit zwei oder sogar drei Truppen gleichzeitig unterwegs ist und somit fast jede Figur mindestens ein Mal benutzen muss. Gerade das finde ich wirklich gut gemacht, da dadurch auch rein spieletechnisch wieder unterstrichen wird, dass (fast) alle Figuren wichtig für die Story sind und sie so auch für den Spieler wichtig werden. So wird auf gute Weise vermieden, dass sich die große Figurenanzahl im Spielgeschehen verliert.

Neben den 14 Hauptfiguren werden die Truppen des Spielers stellenweise auch durch Kurzauftritte weiterer Figuren, darunter z.B. auch ein namenloser Geist, erweitert. Die Personenanzahl des Spieles ist sehr komplex, man verliert jedoch nie den Überblick - zumindest ging es mir so. Erstaunlich ist, dass die kleinen Pixelfiguren mit ihren Gesichtsausdrücken überraschend viele Emotionen übermitteln können. Wenn die Figuren fröhlich, erstaunt oder traurig sind, sieht man das deutlich, obwohl sie nur 24 Pixel groß sind. Viele foto-realistische Gesichter in heutigen Spielen vermitteln trotz besserer Grafik häufig deutlich weniger Emotionen als die in diesem SNES-Klassiker - Grafik ist eben nicht alles.



Eine besonders gelungene Figur ist auch der Hauptgegner Kefka Palazzo, ein (größen-)wahnsinniger, gnadenloser und brutaler Clown. Clowns mag ich spätestens seit einer gewissen Stephen-King-Lektüre ohnehin nicht mehr, das Spiel bestätigt mich mal wieder in meiner Abneigung. Anfangs nervt Kefka nur, dann ärgert er einen, dann beginnt man, ihn abgrund tief zu hassen. Und es ist schon eine erzähltechnische Leistung, dass das Spiel es schafft, dass der Hass des Spielers sich so auf eine 24-Pixel-große Figur konzentriert - Kompliment! In vielen "Best-villains"-Listen taucht Kefka regelmäßig recht weit vorne auf, bei GameSpot sogar auf Platz 1 - womit er sogar den anderen großen Final-Fantasy-Bösewicht, Sephiroth aus Teil VII, schlägt.

Zum Glück gibt es neben den vielen traurigen Stellen auch einige "comic-relief"-Momente, die einen zum Lachen oder zumindest zum Schmmunzeln bringen. Auch dies ist den Machern sehr gut gelungen, der mitunter bedrückenden Geschichte wird so etwas von ihrer Schwere genommen, der Spieler nicht unnnötig belastet. Zu erwähnen ist hier vor allem der immer wieder auftauchende Zwischengegner Ultros, ein lila Oktopus, der zwar nervt, den man irgendwie aber doch mag.

Ebenfalls gefiel mir gut, dass einem die Handlung nicht in Cutscenes vorgesetzt wird, sondern, dass man oft genug selbst die Figur(en) steuern und die Handlung vorantreiben muss. Mehr als einmal saß ich zunächst da und wartete darauf, dass sich irgendwas tut, bis ich dann begriffen hatte, dass ich selbst agieren muss. Interaktivität statt Cutscene/Animation - gutes Konzept.



Die Grafik ist für Nintendo-Verhältnisse großartig und bringt die gelungene Steampunk-Atmosphäre des Spieles bestens zur Geltung. Gefallen haben mir auch die Kampf- und Magie-Animationen: bunt und spektakulär so soll's sein, auch wenn's kein HD ist. Aber wie man bereits in den letzten drei Teilen (und weiter oben) bemerkt hat, bin ich ohnehin keine Grafikhure, sondern achte mehr auf Story und Musik.



Und beim Stichwort "Musik" wären wir auch bei dem, was das Spiel für mich zu einem der besten überhaupt macht. Der komplette Soundtrack von Final Fantasy VI gehört zu den besten, die ich je in einem Spiel gehört habe. Schon der Vorspann hat mich umgehauen. Wenn ein Spiel mit einem Stück wie dem Terra's Theme startet (das auch als Hintergrundmusik der "World of Balance" dient), dann weiß man, dass einen Großes erwartet. Ein grandioses Stück nach dem anderen macht das Spiel auch akustisch zu einem Genuss, man kann sich an der Spielemusik gar nicht satt hören, weshalb ich hier noch ein paar weitere Beispiele aus Nuobo Uematsus mehr als gelungenem Soundtrack nennnen möchte:

- Shadow's Theme: Es gibt keine bessere Musik für einen "lone wolf", der nur von seinem treuen Hund begleitet durch die weiten Lande streift.
- Cyan's Theme: Wie könnte man einen solch edlen Ritter musikalisch besser darstellen als mit diesem Stück?
- Aria di Mezzo Carattere: Eine interaktive Opernarie in einem Videospiel - und dazu noch eine so verdammt gute - da sag mal noch jemand, Videospiele seien keine Kunstform, wenn sie uns hier doch so eindrucksvoll beweisen, dass der Bogen von "Hochkultur" zu "Popkultur" sogar sehr gut geschlagen werden kann.
- Techno de Chocobo: Ich will einen Chocobo und der kann dann meinetwegen auch ruhig den ganzen Tag dieses Lied pfeifen, das verbreitet nämlich gute Stimmung.
- Forever Rachel: so viel Schmerz und Trauer über die tragisch verlorene Liebe des Lebens stecken in diesem Stück, dass es einen die Emotionen richtig spüren lässt.
- Searching for Friends: Dieses Lied bringt ein wenig Hoffnung in eine eigentlich hoffnungslose Welt, sie ist der Lichtstrahl am Ende des finsteren Tunnels.

In dieser Playlist befindet sich der gesamte Soundtrack des Spieles, den ihr euch ruhig mal komplett anhören solltet. Ich selbst werde mir demnächst jedenfalls sogar die CDs kaufen.

Vom Spielprinzip her bietet Final Fantasy VI jetzt nicht viel Neues, aber das macht auch gar nichts, denn alles wird gekonnt umgesetzt. Rundenbasierte Kämpfe gegen Zufallsgegner und "Bosse" müssen bewältigt werden. Wie bei so ziemlich allen Rollenspielen muss mitunter auch mühsam aufgelevelt ("level grinding") oder es müssen Esper-Zaubersprüche gelernt werden. Das kann etwas nerven, ist aber ein generelles "Problem" von Rollenspielen - durch Pokémon, wo ich immer mit Glumanda angefangen habe, bin ich da allerdings ohnehin abgehärtet und kann es dem Spiel nicht als Manko ankreiden, sondern nehme es halt in Kauf. Darüber hinaus sehe ich dieses Spielprinzip durchaus auch als interessante Analogie zum echten Leben an, in dem man ja schließlich auch erstmal lernen und üben muss, bis man ein gewisses Hindernis überwinden kann. Und auch den Espern tritt man erstmal als Goethescher Zauberlehrling gegenüber, bevor man sie meistert: "Denn als Geister / ruft euch nur zu diesem Zwecke, / erst hervor der alte Meister." Und ja, an der ein oder anderen Stelle (Opernszene oder einstürzendes Haus) bin ich dann auch mal etwas hängen geblieben, dafür war es dann umso schöner, wenn ich diese Stellen endlich gemeistert hatte - und was wäre schon ein Spiel ohne zu überwindende Herausforderungen?



Anfangs ist das Spiel noch recht linear, spätestens mit Erhalt des Luftschiffes ändert sich dies jedoch und man erhält zugang zur kompletten Weltkarte, was mit dem superflotten Luftschiff auch richtig zügig von statten geht und mit Hilfe der Mode-7-Technik des SNES auch grafisch in gutem Pseudo-3D umgesetzt wurde. Von der Handlung her könnte man das Spiel in zwei Teile aufteilen (World of Balance, World of Ruin), denn, ohne hier viel spoilern zu wollen, in Final Fantasy VI schafft es der "main villain" Kefka tatsächlich, die Welt zu vernichten. Der Spieler sitzt machtlos vor seiner Konsole und muss das vermeintliche Ende ungläubig mitansehen. Das ist ein absoluter Schock, insbesondere da man plötzlich nur noch Celes zur Verfügung hat und mit dieser auf einer einsamen Insel aufwacht - die anderen Mitstreiter muss man sich erst wieder zusammensuchen, um dem diabolischen Clown Kefka dann ein letztes Mal gegenüberzutreten. Und der Endkampf ist dann auch das Tüpfelchen auf dem I.

Wer eine gute Video-Review von Final Fantasy VI anschauen möchte, dem empfehle ich die entsprechende und sehr gelungene Gametrailers Retrospective.

Und als weiteren Tipp empfehle ich allen, die sich an das Spiel rantrauen, aber mal nicht weiter wissen, die absolut gelungene und unglaublich hilfreiche umfangreichste deutsche Komplettlösung von GameOne-Redakteur Gregor Kartsios, bei dem ich mich an dieser Stelle wirklich für seine tolle und eben nicht selbstverständliche Hilfestellung bedanken möchte.

Fazit:

Selten zuvor hat mich ein Spiel so gefesselt und umgehauen, wie Final Fantasy VI. Eine unglaublich dicht erzählte Geschichte mit glaubwürdigen Figuren, die einem richtig ans Herz wachsen. Mehr als ein Mal hatte ich Tränen in den Augen, nicht zuletzt auch wegen der genialen Musik, die beweist, dass auch ein Videospiel einen hohen Anspruch (insbesondere an sich selbst!) haben und zur Hochkultur gehören kann. Das Spiel hat mich (mit ein paar Spielpausen) über Monate hinweg begleitet und ich bin richtig froh darüber, dieses Meisterwerk nun endlich ein Mal gespielt zu haben. Und jeder, der das noch nicht getan hat, sollte das unbedingt und schnellst möglich nachholen. Er würde sich sonst selbst um eine großartige Erfahrung bringen, denn bei diesem Spiel stimmt einfach alles, auch die Schwierigkeit und ganz besonders der wundervolle Soundtrack. Und entsprechende meiner absoluten Begeisterung über dieses Spiel gibt es erstmalig auch die Höchstwertung für dieses Spiel, dass einfach alles richtig, richtig gut macht.

Kommentieren